Kompost als Färbemittel!?
Woher kommt die Farbe unserer Kleidung? Welche Möglichkeiten gibt es mit Pflanzen zu färben und warum sind diese Möglichkeiten nicht immer unbedingt auch nachhaltig? Mit diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Färben von Textilien beschäftigt sich das kollektiv min. In einem Gespräch erzählten mir die drei Mitglieder mehr darüber.
Foto: kollektiv min: Marianne, Nina, Ida (v. l. n. r.), © Anna Zinniker
Ida, Marianne und Nina kennen sich aus dem Bachelor-Studium Textildesign, das sie in Luzern, in der Schweiz, abgeschlossen haben. Das Interesse an Druck- und natürlichen Färbetechniken entwickelte sich schon während des Studiums und so gründete sich das Kollektiv direkt im Anschluss, das war 2023, um speziell mit einem Nachhaltigkeitsfokus zum Färben zu arbeiten. "Weil die Textilindustrie in vielen Bereichen problematisch ist, haben wir uns für unser erstes Projekt auf den Teilbereich des Färbens beschränkt und wollen beim Färben nachhaltigere Lösungsansätze aufzeigen".
An der Hochschule wurde zwar Nachhaltigkeits-Unterricht angeboten, darin wurden aber hauptsächlich Grundmaterialien besprochen und wie man Prozesse oder Entscheidungen auf diese bezogen nachhaltiger gestalten kann. Es wurde wenig an Information zu natürlichen Färbe- und Druckmöglichkeiten angeboten. Dieser Lücke widmen sie sich. In den vielfältigen Schieflagen in der Textilbranche ist selbst das Färben bereits ein großes Feld. Es umfasst eine Auseinandersetzung damit, wie in der Großindustrie momentan mit chemischen Farben und Kunstfasern gearbeitet wird und gleichzeitig stellt sich das kollektiv min auch die Fragen: Wie wurde vor der Industrialisierung gefärbt und muss unsere Kleidung überhaupt gefärbt sein? Durch ihre Projekte entdecken sie immer wieder neue Aspekte oder Pflanzen, mit denen man auf natürliche Weise färben kann.
Pflanzliches Färben
In der Textilindustrie verbreitete Färbeprozesse tragen in großem Umfang zu Belastung der Umwelt - besonders Wasserverschmutzung - bei. Nachhaltigere Zugänge sind notwendig. Doch selbst natürliche Farben für Textilfärbeprozesse zu gewinnen, kann manchmal auch im Widerspruch zu Nachhaltigkeit stehen. Bei natürlicheren Techniken entsteht anfangs der Eindruck, dass es sich hauptsächlich um Pflanzen und natürliche Fasern handelt und es darum automatisch nachhaltiger sei, erklärt Marianne. "Bei klassischen Färbepflanzen, die man online bestellen kann, gibt es auch einige, deren Nutzung für die gesamte Textilindustrie trotz natürlichem Material kritisiert werden könnte." Als Beispiel nennt Marianne Blauholz, ein Tropenholz, welches zur Abholzung des Tropenwalds beiträgt und weite Transportwege erfordert. Andere natürliche Farben werden neben Pflanzen zudem durch Kleintiere wie beispielsweise Läuse gewonnen. In dem kleinen Rahmen, in dem das kollektiv min mit Materialien wie diesen arbeitet, stellen sich andere Fragen, als wenn die Massenindustrie nur noch mit natürlichen Farben färben würden. Diese Dimensionen mitzudenken ist wesentlich. Momentan wird auch nach weiteren Methoden geforscht, um Färbeprozesse fairer zu gestalten - unter anderem durch eine geringere Wassernutzung.
Die eigene Praxis zu reflektieren und transparent zu sein, welche Materialien sie selbst nutzen, ist Ida, Nina und Marianne sehr wichtig. „Also wir versuchen bei den Stoffen, die wir färben, genau darzulegen: Wie viel Wasser haben wir gebraucht und welche Materialien genutzt? Woher kommen diese? Wir haben den Anspruch, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten, aber gewisse Farben erreichen wir eben nur mit dem nicht ganz so nachhaltigen Blauholz. Und da stellen wir uns auch die Frage, ob wir es brauchen oder nicht. Und wenn wir uns entscheiden, dass wir es brauchen, ist es uns wichtig, das transparent zu kommunizieren“, erklärt Marianne. Umso mehr können sie damit aufzeigen, dass auch sie noch keine abschließend beste Lösung gefunden haben und genau diesen Prozess zu thematisieren. In kleinerem Rahmen ist das auch vertretbarer als bezogen auf eine riesige Industrie, wo es andere Optionen braucht. Den regionalen Faktor sollte man sich hier auch bewusst machen, also dass beispielsweise Wasser mancherorts eine so knappe Ressource ist, dass das Färben umso schädlicher ist.
Eine der nachhaltigsten Möglichkeiten zu färben, ist das Färben mit Küchenabfall. Oder auch das Zurückgreifen auf regionale Pflanzen, die sich zum Färben eignen, wie beispielsweise Goldrute oder Holunder. Auch Färberwaid ist eine typische Färbepflanze. Bei den regionalen Naturfarben gibt es aber Limitationen, denn nicht alle Farbvariationen können damit erreicht werden. Das führt das Kollektiv auch zu Fragen danach, ob denn an Textilien oder Kleidung überhaupt alles gefärbt sein muss oder hier nicht ein Umdenken erforderlich ist. Kann unsere Kleidung auch ungefärbt sein oder mit der regionalen Farbauswahl zurechtkommen? "Und dann hat man halt vielleicht kein Blau oder kein Orange. Solche Fragen finden wir interessant."
Nachhaltigkeit, Textilien & Vermittlung
In Bezug auf Nachhaltigkeit und den Textilbereich scheint es schwierig, eine Definition oder Gesamtlösung zu finden. Es sind viele verschiedene Einzelschritte, bis ein Kleidungsstück in den Laden kommt – Färben ist nur einer davon. Und man kann jeden der Schritte genauer untersuchen. Was kann der oder die Einzelne tun?
„Ich glaube, für uns ist wahrscheinlich schon das Bewusstsein wichtig, also sich zu informieren: Was trage ich überhaupt? Unser Projekt will auch da einen Raum öffnen, um wieder mehr Bezug dazu zu bekommen. Was heißt es eigentlich, so ein Stück Stoff in der Hand zu halten, welche Arbeit steckt dahinter? Wo kauft man seine Sachen? Also schon nur das im Bewusstsein zu generieren, dass man Kleidern wieder eine andere Wertschätzung entgegenbringt und über den eigenen Konsum nachdenkt, ist ein wichtiger erster Schritt“, sagt Ida.
Marianne verweist dabei auch auf Guides und Labels bzw. Gütesiegel, die eine gute Referenz sind, um sich einen klareren Überblick zu schaffen. Nina gibt auch den Tipp, dass Fashion Revolution oder Greenpeace auch länderspezifisch Tipps für Läden anbieten oder auch für die richtige Entsorgung von Altkleidern und -stoffen. Das eigene Konsumverhalten jedenfalls zu hinterfragen, bewusst zu konsumieren und zu entsorgen, wenn möglich auch Secondhand zu kaufen, und sich nach den Produktionsbedingungen der Textilien zu erkunden, sei zentral.
Welche Möglichkeiten gibt es, anderen zu vermitteln, dass ein ressourcenschonender Umgang nötig ist? Nachhaltigkeit sollte jedenfalls immer mitgedacht werden, egal bei welchem Projekt: Eine grundlegende bewusste Haltung gegenüber Ressourcen, die nicht immer gleich konsequent, aber im Fall begründbar sein sollte, betont Nina. „Ich finde wichtig, eine Wertschätzung zu vermitteln. Wir benutzen auch Materialien, die vielleicht nicht nachhaltig sind, das kommt vor, aber ich glaube, es ist dann umso wichtiger, dass man das Material schätzt und Ressourcen allgemein und nicht übermäßig viel braucht. Allein schon diese Wertschätzung und ein Bewusstsein zu haben, dass man Dinge – egal, ob es sich nun um Stoff oder andere Materialien handelt – nicht im Übermaß gebraucht, sondern einen gewissen Respekt davor hat.“
Das Kollektiv versucht, zumindest zur Hälfte auch mit Secondhand Stoffen zu arbeiten. Dafür fragen sie auch in ihrem Umfeld, ob jemand noch nicht mehr gebrauchte Stoffe zu Hause hat, zum Beispiel die alten Leintücher der Großeltern. In Brockenhäusern, also Gebrauchtwarenläden, werden sie auch häufig fündig - da muss man aber genau schauen, da sich für die Naturfarben auch nur natürliche Stoffe und kein Polyester oder Mischmaterialien eignen.
Hands-On - Workshops und Ausstellungen
Das kollektiv min hat bereits an mehreren Ausstellungen teilgenommen und Workshops für eine interessierte Öffentlichkeit angeboten. „Ausstellungen sind für uns einerseits eine Möglichkeit, selbst kreativ zu sein, indem wir Stoffe gestalten, und gleichzeitig einen Raum für Diskurs zu schaffen, wo wir transparent mit Fragen nach benötigten Ressourcen umgehen, und informative Texte anbieten.“ Das Kollektiv bietet dabei auch Workshops an, in denen sie natürliche Färbeprozesse erlebbar machen. „Wenn man einmal durchmacht, wie Farbe in den Stoff kommt, wie lange das dauert und es dann wirklich erfahrbar ist, führt das vielleicht auch zu mehr Wertschätzung der Kleidung, die man trägt. Dass diese eine Farbe hat, ist nicht selbstverständlich, und ich glaube, viele Menschen können diesen Prozess nicht nachvollziehen.“ Ein Problem sei die Masse an Kleidungsstücken in Läden, bei der manchmal nicht hinterfragt wird, dass das nicht selbstverständlich ist.
Prinzipiell möchte das Kollektiv mit ihrem Angebot alle Personen ansprechen, die Textilien konsumieren, um genau solche Probleme zu diskutieren. „Es geht darum, dem Thema und der Öffentlichkeit einfach eine Leinwand zu bieten, sich damit auseinanderzusetzen.“ Färben ist ein Bereich der Textilindustrie, worüber so konkret noch nicht sehr viel öffentlich diskutiert wird. Hier bietet das kollektiv min mit ihrem künstlerischen Projekt eine Schnittstelle zur Wissenschaft und bringt Menschen Schwierigkeiten und gleichzeitig natürliche Möglichkeiten näher.
Instagram kollektiv min, 2024
Ein Blick in die Zukunft
Für die Zukunft plant das kollektiv min den Aufbau einer Workshop-Reihe, da durch den direkten Kontakt und Austausch mit Menschen das Bewusstsein für die Färbeprozesse von Textilien und Kleidung besonders gestärkt wird. Ziel wäre es außerdem, dass sich das Projekt finanziell selbst tragen kann und regelmäßig Ausstellungs- oder Workshop-Formate sowie Kooperationen mit Kursen oder anderen künstlerischen Kollektiven stattfinden können. Das Kollektiv entdeckt immer wieder neue Bereiche, die zukünftig möglicherweise auch von neuen Formaten von interaktiveren Workshops oder Events innerhalb von Ausstellungen profitieren könnten. Momentan bieten sie ihre Veranstaltungen in der Schweiz an, wohin es sie darüber hinaus noch führen wird, sehen Ida, Marianne und Nina als einen Prozess.
In naher Aussicht steht jedenfalls eine im Juli in Zürich eröffnende Ausstellung, wo das Kollektiv selbstgefärbte Stoffe zeigt mit Informationen dazu, wieviele Ressourcen darin stecken. Die begleitenden Texte sollen zum Denken und Austauschen anregen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, folgt dem Kollektiv doch auf Instagram oder schaut auf ihrer Website vorbei!
Nach einem Interview vom 15.04.2024
Bildnachweise
Gruppenfoto: © Anna Zinniker
Alle anderen Abbildungen: © kollektiv min
Autorin / Autor: Konstantina H. - Stand: 10. Mai 2024