Der Fantasyroman „Magical“ von Alex Flinn ist 2012 im Baumhausverlag erschienen und handelt von einer netten Hexe, zwei Stiefschwestern und Märchen, die vielleicht doch wahr werden können – wenn auch nicht ganz so, wie erwartet.
Emma und Lisette sind Stiefschwestern die unterschiedlicher nicht sein könnten. Emma ist im Wohlstand aufgewachsen, aber unscheinbar und still, während die wunderschöne Lisette bis zu ihrem 13. Lebensjahr in armen Verhältnissen lebte. Als Lisette nach dem Tod ihrer Mutter dann zu Emma zieht, scheint zunächst alles wunderbar. Die beiden Mädchen werden scheinbar Freundinnen. Aber Emma merkt nicht, wie Lisette wirklich ist und so rennt sie blind in die Fallen, die Lisette ihr immer wieder stellt und lässt sich von ihr schikanieren, ohne etwas unternehmen zu können. Schließlich erhält sie Unterstützung von dem seltsamen Mädchen aus ihrer Schule – magische Hilfe. Denn Kendra ist eine Hexe und will Emma unbedingt helfen, nicht nur ihren Freund wieder zu bekommen, sondern auch das Mädchen zu sehen, das in ihr steckt. Ob Kendra das gelingt und sie es schafft, das Blatt doch noch zu wenden?
Das Buch ist eine gebundene Ausgabe mit 480 Seiten. Der Schreibstil ist einfach, flüssig zu lesen und absolut altersangemessen. Die Autorin schreibt auf eine Art und Weise, in der man ihr die Teenager abnimmt. Die Schrift ist relativ klein und somit kommt auf 480 Seiten eine Menge zusammen, aber wenn man einmal in Flinns Welt eingetaucht ist, schafft man es nicht mehr so schnell hoch.
*Meine Meinung*
„Magical“ ist genauso wie seine Vorgänger eine moderne Aufbereitung von bekannten Märchen. Wie der Schuh auf dem Cover schon vermuten lässt, dreht sich diese Geschichte um Cinderella, auch Aschenputtel genannt. Ein Märchen, das nun schon mehr als hundert Mal neu geschrieben, neu verfilmt wurde und bestimmt Grundlage von vielen hundert amerikanischen Teenymovies ist. Aber Flinn schafft es mit ihrer unverwechselbaren Art, dem Märchen neues Leben einzuhauchen und die zauberhafte Welt von Cinderella, ihrer bösen Stiefmutter und dem großartigen Prinzen wieder auferstehen zu lassen. Aber nicht auf diese langweilige Standardversion. Sondern wirklich neu, wirklich süß und lustig. Die Rollen sind alles andere als stereotypisch und verändern das klassische Märchenbild. Wer böse und wer gut ist, wer arm und wer reich – das wechselt in diesem Buch mehrmals und die Konturen verschwimmen. Alle Seiten, alle Handlungen werden beleuchtet, sodass kein Motiv im Dunkeln bleibt. Das Grundgerüst erinnert natürlich stark an Cinderella. Das im Wohlstand aufgewachsene Mädchen bekommt eine Stiefschwester, die alles an sich reißt. Aber diese Stiefschwester, Lisette, ist nicht äußerlich hässlich, weil sie es auch Innerlich ist, sondern sie ist die Schönheit und Liebenswürdigkeit in Person, wenn sie es will. Im Gegensatz dazu ist die Erzählerin Emma, obwohl sie alles hat, eher unscheinbar und schüchtern. So sind da schon einmal die Grenzen verwischt und die Märchenstruktur aufgehoben. Außerdem führt Lisette ihren Rachefeldzug subtiler und überzeugt zunächst selbst Emma von ihrer Nettigkeit. Zugleich löst sie auch irgendwie Mitleid aus, wegen dem Verlust der leiblichen Mutter und der Vernachlässigung des Vaters. Im Laufe der Geschichte wird auch sie zwischendurch zum Aschenputtel, muss die Hausarbeiten ausführen und hat auf einmal das schlechtere Leben. Trotzdem ist der Charakter ziemlich böse und hinterhältig und schafft es, das Leben ihrer Schwester an sich zu reißen, ohne dass diese es verhindern kann. Denn Emma kennzeichnet sich vor allem durch eine rührende Naivität und dem Glauben an das Gute aus, der sehr süß ist, aber an manchen Stellen auch etwas anstrengend.
Die Charaktere, weder Emma noch Lisette, sind eindimensional, was das Buch von dem ursprünglichen Märchen abhebt. Denn beide Seiten, Gut und Böse, erleben ihre Hoch und Tiefs. Emma und Lisette führen gute und schlechte Handlungen aus und haben beide ihre ganz eigenen Motive und Hintergründe.
Ein anderes Merkmal ist auch die Auswahl des Prinzen. Zwar kommt auch dieser Prinz in das Leben der armen, benachteiligten wundervollen Emma gestürmt und rettet sie aus ihrer trostlosen Welt, indem er ihr Leben ein kleines bisschen schöner macht. Nur das in dieser Liebesgeschichte, die Seiten nicht enden, wenn die Protagonisten die drei magischen Wörter laut aussprechen. Dieses Buch endet nicht, wenn es ein scheinheiliges Happy-End gibt, sondern zeigt auch die Schwächen des selbsternannten Prinzen. Streit im Paradies würde es im normalen Märchen nicht geben, was beweist, dass dieses Buch trotz der bereits ausgeleierten, wundervollen Cinderella-Geschichte unbedingt lesenswert ist. Auch gibt es für beide Protagonistinnen Momente, in denen das Happy-End endgültig verloren zu sein scheint, denn die Autorin lässt manche Dinge sterben, von denen die Mädchen (vor allem Emma) geglaubt haben, dass sie ohne nicht leben könnten. Aber gerade durch diese Art beweist sie, dass man manchmal stärker ist, als man selbst vermutet und dass man vor allem nicht immer das zum glücklich sein braucht, was man immer gewollt hat. Dies ist eine wundervolle Lehre, die man aus dem Roman ziehen kann.
Was aber dieses Buch definitiv besonders macht, ist Kendra. Die Hexe, die bereits aus „Beastly“ bekannt ist und die die heimliche, aber eigentliche Protagonistin des Buches ist. Auch dieses Mal hat sie sich als Schülerin in eine Highschool eingeschrieben und sucht nach einem „neuem Projekt“. Einer Person, der sie helfen kann, weil sie es verdient hat. Dieses Mal wählt sie Emma aus, hält sich aber sehr zurück; aus Angst, dass sie in ihrer guten Absicht, Emma am Ende unglücklich machen wird. Denn dies ist Kendra schon mehr als einmal passiert, wie sie im Verlauf des Buches erzählt. So hatte sie etwa bei der wahren Geschichte von Ariel ihre Finger im Spiel, ebenso wie bei der Prinzessin auf der Erbse und vor allem bei Hänsel und Gretel. Diese kleinen Erlebnisse werden eingestreut und sind eine Abwechslung zur laufenden Handlung. Nicht nur, weil man dadurch ein wenig von der Cinderella Geschichte Abstand nehmen kann, sondern auch weil man so mehr über Kendra, ihre Motive und ihre Vergangenheit erfährt. Schließlich ist es interessant warum die gute Hexe aus dem Märchen überhaupt eine Hexe geworden ist, warum sie sich entschließt den Leuten zu helfen und was aus ihr wird, wenn das Märchen zu Ende gegangen ist.
Magical lässt vom Inhalt her also keine Langeweile zu. Das Buch ist vollgepackt mit wunderschönen neuen Versionen von Märchen und den persönlichen Geschichten der Protagonisten. Das hat den Nachteil, dass man nicht komplett in das eigentliche Geschehen eintauchen kann – wobei man sich auch nicht sicher sein kann, was das ist: Ist es jetzt Kendra oder sind es Lisette und Emma? Ab und zu hat man das Gefühl, dass die Erzählungen von anderen Märchen einfach nicht notwendig gewesen wären oder dass sie mehr Raum wert gewesen wären als die sieben Seiten in einem Roman über andere Personen. Dennoch schafft die Autorin es mit einem bewundernswerten Schreibstil die Geschichte spannend und interessant zu halten. Immer wenn man denkt, man weiß wie es weiter geht, ändert sich die Handlung und etwas mit dem man überhaupt nicht gerechnet hat geschieht. Wer glaubt, dass Cinderella am Ende ihren schon immer angeschmachteten Traumprinzen bekommt, der irrt. Aber bedeutet das, dass es kein Happy-End gibt?
Alles in allem ist dieses Buch einfach magisch. Die Autorin bringt mit ihrer Geschichte ein klein wenig der eigenen Kindheit zurück und diejenigen die mit Cinderella, Ariel und der Prinzessin auf der Erbse aufgewachsen sind, werden überrascht sein, wie es "eigentlich war". „Magical“ ist mit einem wunderbaren Schreibstil eins der schönsten Bücher, dass ich seit langem gelesen habe. Trotz der Masse an Inhalt und den kleinen Schönheitsfehler ist es ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich noch ein klein wenig für Märchen und den Zauber des Erwachsenwerdens interessiert.
Autorin / Autor: LadyJanna - Stand: 2. August 2012