Ein melodisches Klingeln unterbrach die Pistolenschüsse aus dem Fernseher. Herr Klein stand von seinem braunen Sessel auf. Ich half ihm dabei aus der Sitzkuhle heraus, ließ ihn sich auf den alten Gehstock stützen. Langsam ging er zur Tür. Im Flur auf dem ausgeblichenen Teppich, welcher einmal rot gewesen war, angelangt, blickte ich in den Spiegel. „Warten Sie kurz, Herr Klein.“ Während er stehen blieb, nahm ich die Bürste von der Kommode auf, kämmte das längst ergraute Haar, während er rief: „Ich komme gleich.“
Als sich die Eingangstür öffnete, spürte ich, dass er den jungen Mann nicht erkannte, welcher mit einem Kaktus vor ihm stand und ihn anlächelte. „Das ist Ihr Enkel, Herr Klein“, erklärte ich behutsam und vernahm ein leichtes Nicken. Zur Begrüßung umarmten sich die beiden. „Ich hab ein Geschenk für dich, Opa. Den musst du nicht oft gießen.“ Zurück im Wohnzimmer, welches angenehm nach Sandelholz und altem Leder roch, setzten die beiden sich, wobei der Kaktus auf dem Tisch abgestellt wurde. „Du weißt doch, dass deine Oma keine Pflanzen auf dem Tisch mag! Die müssen da weg!“ Der alte Mann fuchtelte mit den Armen. Erst als sein Enkel das Grün auf den Kaminsims abgestellt hatte, hörte er damit auf und wurde wieder ruhig.
„Ich hab dir Hologramme mitgebracht. Du hast jetzt einen Urenkel, ich hab ihn nach dir benannt.“ Sacht berührte der Jüngere den Arm seines Verwandten und öffnete eine blaue Box. „Wo hab ich denn meine Brille...“, murmelte der Ältere und betastete seinen Oberkörper, bevor ich ihm sanft sagte: „Ihre Brille befindet sich in der linken Brusttasche, Herr Klein.“ Er griff nach ihr und setzte sie sich mit meiner Hilfe auf die breite Nase. Herr Klein besah sich leicht abwesend, was ihm gezeigt wurde, lächelte dabei vor sich hin. Es machte mich glücklich, ihn so zu sehen. Leider hatte Herr Klein selten Besuch und es freute mich, dass ausgerechnet heute jemand kam und ihm Gesellschaft leistete.
„Herr Klein, Sie müssen etwas trinken, damit ihr Wasserhaushalt stabil bleibt“, ermahnte ich, nachdem der Junge die Box wieder verstaut hatte. Daraufhin bat er seinen Enkel, ihm Wasser aus der Küche zu bringen. Wärme erfüllte mich, während ich dem Familienspiel zusah und dabei Herr Kleins gesundheitliche Verfassung im Auge behielt. Die beiden spielten gemeinsam Mühle und der Enkel erzählte munter von seinem Leben.
Doch seine Unbekümmertheit wurde von prüfenden Blicken überschattet. Er räusperte sich des Öfteren, um die belegte Stimme frei zu bekommen.
„Ich komme dich bald wieder besuchen, Opa. Und dann bringe ich den Kleinen auch mit“, verabschiedete sich der Junge, als es draußen schon dunkel wurde. „Welchen Kleinen?“, fragte Herr Klein verwirrt.
Die Schultern des Verwandten sackten nach unten, genau wie die Mundwinkel. Doch dann spannte er sie an. Hastig sagte ich: „Ihr Enkel hat einen Sohn.“ „Achso... ja mach das, mein Junge.“ Dabei tätschelte er den Arm des Mannes.
Nachdem sein Enkel gegangen war legte Herr Klein sich auf das Sofa. Sacht bedeckte ich seinen Oberkörper mit einer Decke, mehr schaffte er nicht mehr. „Ich ruhe nur kurz meine Augen aus“, murmelte er. „Natürlich“, antwortete ich sanft. Sein Atem verlangsamte sich immer mehr, seine Muskeln erschlafften. Kaum als er die Augen geschlossen hatte, sagte ich: „Sie sind nun bereit zu gehen, Herr Klein. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.“ Traurig aktivierte ich das Signal. „Es war mir eine Ehre.“ Doch da hörte er mich schon nicht mehr, während es schwarz um uns wurde. Auf dem Kamin, neben einer kleinen Urne, umgeben von Engeln, stand eine kleine schwarze Box, an welcher ein kleines grünes Licht blinkte. Unter diesem stand in klaren Buchstaben die Abkürzung K.I.A.F.K.U.G.G.
Ein paar Stunden später lag Herr Klein auf einem Metalltisch. Ein Mann in einem weißen Kittel beugte sich über ihn. Eine Frau in gleicher Bekleidung stand bei ihm und las ihm von einem Klemmbrett vor.
„Herr Klein, eingeschrieben seit 2231, verstorben im Alter von 82 Jahren. Gebrauchsdauer 26 Jahre.“ „Welche Chipnummer hatte er?“ „Den K.I.A.F.K.U.G.G. 001. Marry.“ „Marry?“ Der Mann sah kurz von seiner Arbeit auf. Er entfernte gerade eine kleine Metallplatte von dem Schädel des Leichnams. Verschämt räusperte sich die Frau. „Die Patienten haben sie so genannt. Nach ihrer ersten Patienten hat sie sich diesen Namen gegeben.“ „Sie“, schnaubte der Mann verächtlich, widmete sich wieder seiner Aufgabe, entnahm der Öffnung einen kleinen Chip. „Ein Stück Plastik hat kein Geschlecht, keinen Namen. Und dieses hat ein Verfallsdatum. Noch ein Patient und die neue Generation folgt. Dann kommt „sie“ auf den Recyclinghof.“
Weitere Stunden später....
„Hallo, Frau Ackermann. Ich bin Ihre neue Künstlich Intelligente Assistentin für körperliche und geistige Gesundheit. Ich werde ab heute bei Ihnen sein. Mein Name ist Marry...“