Mehr Internet, weniger Politikinteresse

Warum sinkt die Wahlbeteiligung stetig, trotz der steigenden Möglichkeiten, sich online zu informieren?

Obwohl wir in einem Zeitalter leben, wo wir uns Sekundenschnelle jegliche Information aus dem Internet besorgen können und wir nie dagewesene Möglichkeiten haben, uns mittels Wissen und Fakten eine Meinung zu bilden, werden wir offenbar nicht interessierter, sondern immer gleichgültiger. Laut einer aktuellen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sind Internetnutzer_innen in Deutschland im Zeitraum von 15 Jahren politisch immer desinteressierter und uninformierter geworden. Während die Menschen in der Anfangszeit des Internets noch politisch besser informiert waren, hat sich dies seit einigen Jahren umgekehrt. Mittlerweile gilt: Die Internetnutzung nimmt zu und das politische Interesse der Nutzer_innen nimmt ab.

Im Rahmen der Analyse haben Prof. Dr. Irene Bertschek und ihr Ko-Autor David Müller sich Datensätze der Jahre 2001 bis 2004, 2010 und 2014 der Forschungsgruppe Wahlen angeschaut. Sie umfassen also sowohl Jahre, in denen das Internet noch nicht so stark verbreitet war, als auch eine Zeitraum, in dem es allgemein und häufig genutzt wurde. „In unserer Analyse konnten wir beobachten, dass in den Jahren 2001 bis 2004 Internetnutzer_innen noch politisch interessierter waren. Dieses Interesse nahm bis zum Jahr 2010 ab und im Jahr 2014 standen Internetnutzer_innen der politischen Debatte erstmals überwiegend gleichgültig gegenüber“, kommentiert Irene Bertschek die Studienergebnisse.

So hat das Internet zwar neue Informationsquellen hervorgebracht, denn Tageszeitungen oder Rundfunkanstalten bieten ihre News und Infos heute auch online an, Google und Co. bündeln Nachrichten, auf Facebook oder Twitter können alle ihre Meinung kundtun - trotzdem ist in den vergangenen 25 Jahren die Wahlbeteiligung von 82,2 Prozent auf 76,6 Prozent zurückgegangen – für die Forscher_innen ein Indiz für abnehmendes politisches Interesse.

Aber warum ist das so? Die Forscher_innen sehen mehrere Gründe. Da ist zum einen die zunehmende Informationsflut im Internet; diese würde es den Wähler_innen erschweren, Informationen in wichtige und unwichtige einzuordnen und auf ihrer Grundlage politische Entscheidungen zu treffen. Zum anderen hätten sich aber auch die Gründe für die Internetnutzung im Laufe der Zeit verändert. „Während das Internet anfangs in erster Linie der Informationssuche diente, kamen bis zum Jahr 2014 unzählige weitere Nutzungsmöglichkeiten – Unterhaltung, Spiele und die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und zu erhalten – hinzu“, so Irene Bertschek. Und drittens habe sich die Gruppe der Internetnutzer_innen über die Jahre hinweg verändert. Anfangs nutzten vor allem Hochqualifizierte das Netz, um nach Informationen zu suchen und beruflich zu kommunizieren. Mittlerweile – insbesondere nach Einführung der Smartphones im Jahr 2007 – nutzen es alle Bevölkerungsgruppen, also auch solche, die grundsätzlich eher wenig politisch interessiert sind. Die Nutzungsprofile im Internet seien mit der Zeit dadurch deutlich vielfältiger geworden.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 21. Februar 2022