Meine Kleiderschrankrecherche
Lea hat sich den Inhalt ihres Kleiderschranks mal genauer angeschaut und dabei viel gelernt - nicht nur über ihre Kleidung, sondern auch über sich selbst
Die Inhalte des eigenen Kleiderschranks sind zwar alltäglich im Gebrauch, doch machen wir uns oft wenig Gedanken über die tiefgreifenderen Aussagen, die sich dahinter verbergen.
Im Rahmen meines Studiums habe ich eine sogenannte Kleiderschrankrecherche durchgeführt. Das Ziel ist es, einen Einblick in die Komplexität des Themas nachhaltige Kleidung zu erlangen und den eigenen Konsum zu reflektieren.
Vor Beginn der Kleiderschrankrecherche wurde die Anzahl der Kleidungsstücke geschätzt. Meine Schätzung lag bei circa 160 Kleidungsstücken. „Ohne Socken“ habe ich noch dazu gesagt. Die Schätzung sollte jedoch mit Socken erfolgen, also habe ich meine Vermutung um 20 Kleidungsstücke angehoben. Die Tatsache, dass ich lediglich von 20 Paar Socken in meinem Besitz ausgegangen bin, war eine naive Einschätzung.
Seit die Aufgabenstellung im Uni-Seminar besprochen wurde, habe ich jedes Mal beim Anziehen darüber nachgedacht, woher meine Kleidungsstücke kommen und was sie (für mich) bedeuten. Eigentlich wollte ich direkt mit der Katalogisierung meiner Kleidung beginnen, jedoch hatte ich die Befürchtung, mich selbst mit einigen Tatsachen aus meinem Kleiderschrank zu erschrecken. Darunter fällt die Zusammensetzung der Materialien, die tatsächliche Anzahl meiner Bekleidung, die Herkunft und weitere ähnliche Aspekte.
Als ich meine Kleidungsstücke katalogisiert habe bin ich wie folgt vorgegangen: aufhängen, fotografieren und abschließend in die Bekleidungsmatrix eintragen. Die Bekleidungskategorien sind nach Ingrid Köllers aufgeführt, Ingrid Köller war Professorin an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg und hat das Fach und das Institut Textilwissenschaft gegründet. Bei einigen Kleidern hat der Prozess der Katalogisierung länger gedauert, denn es kamen immer wieder Erinnerungen zu bestimmten Personen, Anlässen oder Aktivitäten hoch. Zusätzlich wurde die Aufnahme durch ausgewaschene oder fehlende Etikette verzögert. Am Ende meiner Kleiderschrankrecherche konnte ich insgesamt 305 Kleidungsstücke verzeichnen. Damit habe ich meine Schätzung weit verfehlt.
Bekleidungsmatrix (Klick zum Vergrößern)
Kleidung bringt das Innere nach außen
Zu Beginn des Semesters war mir bereits bewusst, dass die Textilbranche und die Modeindustrie einige Probleme erzeugen. Hierzu zählen der hohe und ständige Konsum von Bekleidungsstücken, angetrieben durch ständig wechselnde Trends und die Möglichkeit des Onlineshoppings.
Was ich aber erstmal durch die Kleiderschrankrecherche festgestellt habe, war, dass ich die meisten meiner Kleidungsstücke gerne trage. Diese Erkenntnis hat mich sehr gefreut, denn es zeigt, dass ich meinen Kleidungsgeschmack gefunden habe und diesen auslebe, auch wenn er sich noch weiter differenzieren wird. Mit der Wahl meiner Kleidung bringe ich mein Inneres nach außen. Dies ist eine Form der nonverbalen Kommunikation, ausgedrückt durch die Bekleidungswahl.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich eine so große Anzahl der Kleidungsstücke, die ich besitze, nicht selbst gekauft habe, sondern von Familienangehörigen oder Freundinnen und Freunden übernommen habe. Es handelt sich um 77 Kleidungsstücke, das sind circa 25% meiner gesamten Bekleidung. Viele von den übernommenen Kleidungsstücken haben einen emotionalen Wert für mich, dadurch fühle ich mich bei jedem Tragen selbstbewusst. Bei der Kleidung meiner Mutter oder meiner Onkel sind die Nutzungsjahre zu sehen, dennoch gefallen mir gerade diese Gebrauchsspuren bei der Kleidung, denn sie zeigen, dass das Kleidungsstück viel erlebt hat und etliche Erinnerungen trägt. Diese geliebten Kleidungsstücke haben einen höheren Stellenwert gegenüber den normalen. Sollte eins dieser geliebten Stücke kaputtgehen, werde ich sie aber auf keinen Fall aussortieren, sondern dann komt nur eine Reparatur in Frage.
Da ich meine Kleidung leider nicht selbst reparieren kann, gebe ich diese zu meinen Großmüttern. So stopft meine Oma die selbstgestrickten Socken, oder näht nicht mehr passende Kleidung um. Diesen sorgsamen Umgang mit der Kleidung empfinde ich als sehr wichtig und zukunftsweisend.
Mir ist es wichtig, dass ich mich in meiner Kleidung wohlfühle. Aus diesem Grund wähle ich mein Tagesoutfit nach dem täglichen Empfinden und der Funktionalität. Ich lege keinen besonderen Wert auf bestimmte Marken, wodurch ich bei der Wahl meiner Kleidungsstücke weniger eingeschränkt bin. Die Kleiderschrankrecherche zeigte mir auch, dass es möglich ist, Kleidungsstücke über einen langen Zeitraum zu besitzen, wenn diese entsprechend behandelt werden und eine gute Qualität haben.
Impulskäufe
Ich kann mich selbst nicht davon lossagen, dass ich es genieße, schöne Kleidung zu tragen und mich freue, ein neues Stück, dass mir gut gefällt, zu tragen. Häufig handelt es sich hierbei um Kleidung, die ich mit genauerer Überlegung gekauft habe. Dennoch kommt es auch zu impulsiven Käufen, um ein Konsumbedürfnis zu befriedigen. Diese Kauflust löst positive Gefühle aus, dieser Aussage kann ich mich an einigen Tagen zuordnen. An anderen Tagen bin ich eher frustriert von der Idee, dass Shoppen eine schöne Freizeitaktivität ist. Das liegt daran, dass „Konsum mit Stress und Unbehagen verknüpft“ (Gardemin, Kleinhückelkotten, 2017, S. 281) werden kann. Der Alternativweg, Kleidungsstücke über Online-Geschäfte zu kaufen, ist für mich nicht wirklich vorhanden. Es macht mir keinen Spaß, Modeartikel auf verschiedenen Websites anzugucken und zu bestellen. Aus diesem Grund habe ich bisher fast keine Kleidungsstücke online erworben. Lediglich drei Teile habe ich in einem Onlineshop gekauft, der Grund hierfür: ein geschenkter Gutschein.
Während der Kleiderschrankrecherche konnte ich auch feststellen, dass ich einige Kleidungsstücke besitze, die ich nicht so gerne trage, beziehungsweise nicht mehr so gerne trage. Bei diesen Klamotten handelt es sich beispielsweise um Stücke, die ich wegen meiner Kauflust erworben habe, ohne den Nutzen bzw. den Grund genauer zu überdenken oder zu hinterfragen. Andere Teile stammen noch aus meiner Schulzeit und befinden sich immer noch in meinem Kleiderschrank. Ich habe die Kleidungsstücke behalten, da ich sie damals sehr gerne und oft getragen habe. Deshalb fiel und fällt es mir schwer, mich von diesen Kleidungsstücken zu trennen. Ich verbinde mit vielen von ihnen positive Erinnerungen, was ein Abgeben dieser Stücke zusätzlich erschwert.
Aus was besteht meine Kleidung?
Mittels der Kleiderschrankrecherche ist mir bewusst geworden, dass einige Kleidungsstücke sich nicht nach den Materialien anfühlen, aus denen sie letztendlich bestehen. Mir war schon bekannt, dass viele Kleidungsstücke Polyester enthalten, dennoch war ich bei einigen Teilen überrascht, einen so großen Anteil vorzufinden. Zusätzlich sind einige Materialien aufgetaucht, die ich vorher noch nie in Verbindung mit meiner Kleidung gebracht habe. Hierzu zählen Acryl, Spandex, Lyocell und Rayon. Dazu ist mir aufgefallen, dass es keine Auflistung der verwendeten Chemikalien während des Herstellungsprozesses gibt, obwohl sie ja immer noch anteilig in der Kleidung enthalten sein können. Hier wurde mir noch einmal vor Augen geführt, wie wenig ich mich mit den Inhaltsstoffen meiner Kleidung auskenne und wie sehr dies den Wunsch in mir auslöst, künftig mehr darauf zu achten, woraus meine Kleidung besteht. Immerhin trage ich diese Materialien an meinem Körper.
Eine sehr positive Erfahrung
Mir ist klar geworden, wie wichtig es ist neue Kleidung, sei sie nun gekauft oder übernommen, anzuprobieren und auf die Etikette zu achten. Nur weil mir ein Kleidungsstück optisch gefällt, heißt das nicht, dass ich es auch an mir mag. Außerdem müssen Kleidungsstücke, die sich gut anfühlen, nicht zwangsläufig aus guten Materialien bestehen. Ich habe während der Kleiderschrankrecherche festgestellt, dass die meisten Modegeschäfte, in denen ich in den letzten ein bis zwei Jahren meine Kleidung gekauft habe, nicht die Geschäfte sein sollen, in denen ich zukünftig meine Kleidung besorgen möchte. Ich möchte weiterhin Kleidungsstücke von anderen übernehmen oder in Secondhand-Läden kaufen, da diese rückblickend zu meinen Lieblingsstücken zählen. Außerdem möchte ich durch mein Verhalten den Konsum in der Textilbranche nicht weiter ankurbeln.
Ich finde das Thema des kritischen Konsums sollte bereits früh behandelt werden, sodass jede:r die Möglichkeit hat, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken und etwas darüber zu lernen. Auch wenn dies eine gute Thematik für Bildungseinrichtungen wäre, werden Kinder und Jugendliche nur wenig über diesen Themenbereich aufgeklärt. Wenn ich meine Schulzeit reflektiere, ist dort der kritische Konsum ebenfalls zu kurz gekommen.
Für mich war jedenfalls der gesamte Prozess der Kleiderschrankrecherche eine sehr positive Erfahrung. Mir hat es gefallen, mich mit dem Inhalt meines Kleiderschrankes auseinanderzusetzen und zu reflektieren, womit ich mich jeden Tag bekleide. In meinen Augen ist die Beschäftigung mit der eigenen Kleidung ein sehr guter Weg, sich den Themen Textilbranche, Konsum und Nachhaltigkeit anzunähern. Vielleicht hat dieser kurze Einblick in meine Aktion ja auch dich dazu motiviert, den Inhalt deines Kleiderschrankes zu reflektieren und eine Kleiderschrankrecherche durchzuführen?
Quellenverzeichnis
Bögenhold, D. (2016). Konsum: Reflexionen über einen multidisziplinären Prozess. Springer-Verlag, Wiesbaden.
Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR. (2012). Einführung in die Problematik der Bekleidungstextilien. Aktualisierte Stellungnahme, (041).
Calmbach, M., Borgstedt, S., Borchard, I., Thomas, P. M., & Flaig, B. B. (2016). Wie ticken Jugendliche 2016?: Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Springer-Verlag.
Calmbach, M., Flaig, B., Edwards, J., Möller-Slawinski, H., Borchard, I., Schleer, C. (2020). SINUS-Jugendstudie 2020. Wie ticken Jugendliche? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.
Gardemin, D., & Kleinhückelkotten, S. (2017). Slow Fashion–Chancen für einen nachhaltigen Kleidungskonsum?.
Schmidpeter, R., López, I: In CSR und Wirtschaftspsychologie. Springer Gabler: Berlin, Heidelberg. S. 279-296.
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Konate, N., Gehrs., O. (2020). Na, wie sieht’s aus?. In: fluter, 76, S. 6-11
LizzyNet gGmbh, FEMNET e.V., SKOPOS. (2022). Kleidung & Klima. Ergebnisse qualitativer Fokusgruppen mit Jugendlichen von 14-17 Jahren. Köln.
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Autorin / Autor: Lea Horstmann - Stand: 26. September 2023