Mit Linksdruck gegen Blackout

Forschungsteam fand heraus, dass das Drücken eines Balls mit der linken Hand die Konzentration steigert

Bild: Andreas Battenberg / TUM

Bestimmt kennen viele von euch dieses Phänomen: Man sitzt vor einer Prüfungsaufgabe oder muss einen Vortrag halten, und plötzlich ist alles, was man gelernt hat oder sagen wollte einfach weg. Blackout. Leeres Gehirn. Schweißausbruch... Auch in der Sportwelt kommt es immer mal wieder vor: Tennischampions, die den entscheidenden Ball zum Match-Gewinn ins Aus schlagen oder Golfer_innen, die nur wenige Zentimeter vom Loch entfernt, den Ball noch vorbeispielen. Allen ist gemeinsam, dass sie in einer entscheidenden Situation ihre Leistungsfähigkeit nicht abrufen können. Als „Choking under pressure“ bezeichnet die Wissenschaft die Situation, wenn Menschen in einer Drucksituation plötzlich versagen. Die Arbeitsgruppe Sportpsychologie der Technischen Universität München (TUM) analysiert dieses Phänomen seit vielen Jahren und sucht dabei auch nach Lösungen. Bei der Untersuchung verschiedener Sportarten wie Badminton, Beachvolleyball, Fußball, Golf, Taekwondo oder Turnen, stellte sich heraus, das das dynamische Drücken eines Balls mit der linken Hand, dabei Abhilfe schaffen kann - zumindest bei Rechtshänder_innen.

Der Trick mit der linken Hand

Weil das Forschungsteam bereits in mehreren Sportarten die positive Wirkung eines dynamischen Handdrückens mit der linken Hand zeigen konnte, testeten sie diese Technik auch im Tennis. Die Probanden, männliche Kaderathleten im Alter von 17 und 18 Jahren, drückten dafür den Tennisball direkt vor dem Aufschlag mehrmals mit der linken Hand. „In der aktuellen Studie haben wir die Genauigkeit des Tennisaufschlags analysiert, der möglichst nahe an einem vorgegebenen Ziel platziert werden sollte“, erklärt Dr. Vanessa Wergin, Co-Autorin der Publikation.

Die Teilnehmer wurden für die Studie in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 drückte direkt vor dem Aufschlag zehn bis 15 Sekunden lang mit der linken Hand einen Tennisball, während Gruppe 2 den Schlägergriff mit der rechten Hand über zehn bis 15 Sekunden aktiv drückte. Anschließend führten beide Gruppen jeweils acht Aufschläge mit einem vorgegebenen Ziel in einer ersten Runde ohne Druck durch, danach folgten weitere acht Aufschläge unter Druck. In der Gruppe, die mit der linken Hand einen Ball gedrückt hatte, blieb dabei die Genauigkeit der gültigen Aufschläge stabil, während bei der anderen Gruppe ein Leistungsabfall abzeichnete, wenn sie unter Druck waren.

Druck-Signal entspannt das Gehirn

Die grundlegende Annahme sei, dass die rechte Gehirnhälfte eine ganzheitliche Ausführung einer hochautomatisierten Bewegung begünstige, während die linke Gehirnhälfte durch seine sprachliche Stärke eher dazu führe, dass die Bewegungsausführung zerlegt werde. Dies störe den Bewegungsfluss und führe zu größerer Ungenauigkeit, erläutert Prof. Beckmann. Deshalb, so das Ziel des Experiments, sollte durch das Drücken der linken Hand bei Rechtshänder_innen eine stärkere Aktivierung der rechten Gehirnhälfte erreicht werden.

„Weitere EEG-Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe haben aber gezeigt, dass eher ein Entspannungseffekt, sozusagen ein Reset-Mechanismus, durch das linkshändige dynamische Handdrücken eintritt“, so Dr. Wergin. „Das heißt, dass das Gehirn in den Alpha-Rhythmus übergeht und sich somit eine gewisse Entspannung einstellt.“ Die EEG-Befunde legen nahe, dass das Balldrücken nicht zu einer erhöhten Aktivierung der rechten Gehirnhälfte führt, sondern vielmehr die angstbedingten, störenden sprachlichen Repräsentationen in der linken Gehirnhälfte eingedämmt werden, so dass eine automatisierte Bewegung wieder flüssig realisiert werden kann.

Geballte Faust hilft auch ohne Ball

Der Vorteil beim Tennis sei natürlich, dass die Spieler_innen sowieso schon einen Ball in der Hand hätten“, so Dr. Wergin. „Die Festigkeit des Tennisballs eignet sich auch hervorragend für den dynamischen Handgriff. Sein hoher Widerstand ist notwendig, um die Wirkung zu erzielen.“

„Die Befunde sind von hoher praktischer Bedeutung,“ sagt Prof. Beckmann. „Der Handgriff könnte Teil einer Aufschlagroutine werden, die die Spieler normalerweise vor dem Aufschlag ausführen. Doch der dynamische Handgriff lässt sich auch außerhalb des Sports einsetzen.“

Nach einem Bericht in „Scientific American“ hätten sich auch Artist_innen gemeldet, die die Drucktechnik bei Auftritten erfolgreich nutzen konnten. Erste Untersuchungen der Arbeitsgruppe mit Patient_innen, die an nicht organisch bedingtem Schwindel leiden, lieferten ebenfalls vielversprechende Ergebnisse.

Die Technik funktioniert aber offenbar auch ohne Tennisball, man könne auch einfach die Faust der linken Hand ballen und 15 Sekunden lang pressen. Leider steht noch nicht fest, ob auch Linkshänder_innen von der Methode profitieren können, wenn sie entsprechend die rechte Hand benutzen. Das Forschungsteam untersuchte bisher nur Rechtshänder, weil bei ihnen die Interaktionen der verschiedenen Gehirnareale eindeutiger lokalisiert sind. Aber ihr könnt es ja selbst mal ausprobieren und berichten ;-)

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung