ForscherInnen der Uni Bielefeld haben herausgefunden, dass jugendliche Opfer von Cybermobbing besonders darunter leiden, wenn MitschülerInnen peinliche Privatfotos und Videos verbreiten, um sie lächerlich zu machen.
Schlimm genug, wenn das unrühmliche Ende der letzten Party auf Videos oder Fotos festgehalten wurde, noch schlimmer aber, wenn diese Aufnahmen auch noch auf youtube oder facebook auftauchen, wo jede/r sich darüber schlapp lachen kann... ForscherInnen der Universität Bielefeld haben herausgefunden, dass jugendliche Opfer von Cyberbullying oder Cybermobbing besonders darunter leiden, wenn MitschülerInnen peinliche Privatfotos und Videos im Internet verbreiten, um sie lächerlich zu machen. Laut einer am 19. Juli 2012 veröffentlichten Online-Studie wird dieses Verhalten von etwa der Hälfte der Opfer als stark oder sehr stark belastend empfunden.
Der Begriff „Bully“ lässt sich mit „Tyrann“ und „Schulhofschläger“ übersetzen. Cyberbullying nennt man Attacken durch eine oder mehrere Personen über das Internet oder per Handy – etwa wenn Facebook oder Instant Messenger benutzt werden, um jemanden zu verleumden, bloßzustellen oder seinen sozialen Beziehungen zu schaden. Dabei wird ein Schwächerer wiederholt und absichtlich angegriffen.
*Fotos und Videos können beliebig oft kopiert und verbreitet werden*
Die Sozialwissenschaftler Dr. Peter Sitzer, Julia Marth und ihr Team wollen mit ihrer Online-Studie herausfinden, welche Form des Online-Mobings SchülerInnen am schlimmsten finden, denn nicht jede Form wird als gleich bedrohlich empfunden. Dass mehr als die Hälfte der Opfer die Weitergabe privater Fotos und Videos als belastend ansieht, wenn sie damit lächerlich gemacht oder bloßgestellt werden soll, erklären sich die ForscherInnen damit, dass die Folgen dieser Form von Cyberbullying schlecht kontrollierbar sind. Digitale Fotos und Videos können beliebig oft kopiert und verbreitet werden und auf diese Weise einem potenziell unbegrenzten Publikum verfügbar gemacht werden. Spott, Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen werden dagegen nur von etwa einem Viertel der Befragten als stark oder sehr stark belastend wahrgenommen. „Das könnte daran liegen, dass diese Form von Cyberbullying auch direkt an das Opfer gerichtet werden kann. In dem Fall werden relativ wenige Personen Zeuge“, sagt Peter Sitzer. Zum anderen sei denkbar, dass solche Übergriffe von den Jugendlichen als alltäglich und normal im Umgang mit Altersgenossen verstanden werden.
*Verspottet, beleidigt, beschimpft*
Darüber hinaus fragten die Wissenschaftler die Opfer von Cyberbullying auch, welche Formen sie erlebt haben. Die befragten Jugendlichen berichten besonders häufig von Angriffen, bei denen sie im Internet oder per Handy verspottet, beleidigt, beschimpft oder bedroht worden sind. In vielen Fällen wurden auch Gerüchte über sie verbreitet oder schlecht über sie geredet. Die Schülerinnen unter den befragten Opfern berichteten auch vergleichsweise häufig, dass ihnen im Internet hinterherspioniert wurde (Cyberstalking) und dass jemand gegen ihren Willen mit ihnen über Sex reden wollte. Im Vergleich zur Foto- oder Videoangabe brauchen Täter dafür kein oder kaum Vorwissen über das Opfer. „Zum Beispiel ist es einfach, jemandem beleidigende Nachrichten per E-Mail oder Instant Messenger zukommen zu lassen oder an dessen Pinnwand, zum Beispiel bei Facebook, zu schreiben“, sagt Sitzer. „Aber damit ein Täter private Nachrichten oder vertrauliche Informationen an Dritte weitergeben kann, um das Opfer bloßzustellen oder lächerlich zu machen, muss vorausgesetzt sein, dass der Täter solche Nachrichten oder Informationen kennt.“
*Was sagen die Täter?*
In der Studie wurden auch die Täter von Cyberbullying anonym dazu befragt, wie sie ihre Opfer im Internet oder per Handy angegriffen haben. Auch stand Verspotten, Beleidigen, Beschimpfen oder Bedrohen an erster Stelle. Ebenfalls häufig bekannten sie sich dazu, rufschädigendes Verhalten und Cyberstalking an den Tag gelegt zu haben. Während die Opfer eher selten angaben, dass sie im Internet aus einer Gruppe ausgeschlossen wurden, berichteten die Täter allerdings diese Form von Cyberbullying häufig angewendet zu haben. Wie erklärt sich diese unterschiedliche Wahrnehmung? Laut den ForscherInnen könnte ein Grund darin liegen, dass die Opfer oft gar nicht bemerken, aus einer Gruppe ausgeschlossen worden zu sein. „Abwertungen wirken hingegen nur dann verletzend, wenn sie vom Opfer als Demütigung auch wahrgenommen werden“, sagt Peter Sitzer. Er vermutet, dass auch aus einem ähnlichen Grund mehr Täter angeben, private Fotos und Videos von Anderen an Dritte weitergegeben zu haben, als das von Opfern berichtet wird. Denn um das Opfer bloßzustellen oder lächerlich zu machen, muss das Opfer selbst gar nicht erfahren, dass zum Beispiel peinliche Fotos von ihm im Umlauf sind.
*Cyberbullying ist keine Lappalie *
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass Cyberbullying keine Lappalie ist, sondern ein ernsthaftes Problem, dem mit vorbeugenden Maßnahmen begegnet werden muss“, sagt Peter Sitzer. Eltern, PädagogInnen und Lehrkräfte müssten den SchülerInnen den sozial verantwortlichen Umgang mit anderen NutzerInnen vermitteln. Gleichzeitig müsse aber auch konsequent gegen Fälle von Cyberbullying vorgegangen werden, denn mehr als die Hälfte der Täter hatte in der Studie angegeben, dass ihre Übergriffe für sie keine negativen Folgen hatten. Die WissenschaftlerInnen fordern aber auch, dass man den Tätern dabei helfen müsse, sich zu verändern und die Übergriffe zu unterlassen. Darüber hinaus mahnen die Forscher an, dass Opfer von Cyberbullying ernst genommen werden müssen und Hilfe brauchen, das Erfahrene zu verarbeiten und wieder zurück in einen lebenswerten Alltag zu finden.
An der Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) nahmen 1.881 in Deutschland lebende SchülerInnen teil und äußerten sich zu ihren Erfahrungen mit Cyberbullying als Opfer, Täter und Zeugen.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 23. Juli 2012