Nachhaltiger (Mode-)Konsum im Realitätscheck

Der Handelsverband Deutschland (HDE) beleuchtet in seiner aktuellen Studie, wie ernst es Konsument:innen mit dem Umwelt- und Klimaschutz meinen

„Nachhaltigkeit“ und „nachhaltiger Konsum“ wirken manchmal wie Zauberformeln. Ob in Reden von Politiker:innen, in Leitartikeln oder Werbekampagnen, überall begegnen uns diese Schlagworte als Forderungen oder Versprechen. Insbesondere in der Modebranche sind sie allgegenwärtig. Nur was eigentlich hinter diesen Begriffen steckt und inwieweit sie sich in unserem tatsächlichen Verhalten widerspiegeln, das ist nicht ganz klar.
Auch der Einzelhandel stellt sich die Frage, wie ernst es Konsument:innen mit dem Umwelt- und Klimaschutz meinen. Deshalb hat der Handelsverband Deutschland (HDE) eine Studie in Auftrag gegeben, für die das Handelsforschungsinstitut IFH Köln 1500 Verbraucher*innen befragt hat. In Kombination mit den Ergebnissen einer weiteren Umfrage von Sellpy und Appinio ist daraus jetzt der „Konsummonitor Nachhaltigkeit“ entstanden. Darin geht es laut HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth um „die wirtschaftliche Bedeutung und einzelnen Facetten des nachhaltigen Konsums“.

Alternativen zum Neukauf: günstig und nachhaltig

Welche Facetten hier im Fokus stehen, verrät schon der Untertitel: „Reduce, reuse, recycle, repair“. Mit Nachhaltigkeit sind hier also nicht umweltfreundliche Produktionsweisen und Materialien gemeint, sondern ein Konsumverhalten, das Alternativen zum Neukauf findet. Die radikalste unter diesen Alternativen ist wohl „reduce“, also der Konsumverzicht. Laut der Studie haben 74% der Befragten im letzten Jahr bewusst verzichtet.
Wenig überraschend angesichts sinkender Kaufkraft liegen finanzielle Gründe vorne (58% der Befragten), direkt danach folgen allerdings der Wunsch nach Umweltschutz, einem nachhaltigen Lebensstil und Minimalismus. Konsumverzicht kann laut der Umfrage ganz unterschiedliche Dinge bedeuten: Manche ernähren sich fleischlos, andere leihen oder mieten zum Beispiel Werkzeuge und Autos, anstatt sie zu kaufen. Diese Ergebnisse lassen erahnen, dass Verzicht die Lebensqualität nicht unbedingt senkt, anders als es in politischen Debatten oft anklingt.

Großes Potenzial im Secondhand-Bereich

Die positiven Gefühle, die mit nachhaltigem Konsum verbunden werden, finden sich noch stärker im nächsten Bereich des Konsummonitors wieder. Unter dem Stichwort „reuse“ fragen die Autor*innen zunächst nach der Weiterverwendung aussortierter Kleidung. Am beliebtesten sind hier die klassischen Altkleidercontainer, gefolgt von Spenden an soziale Einrichtungen. Viele Befragte geben aber auch an, ihre Kleidung zu verkaufen. Nimmt man die verschiedenen Wege und Abnehmer zusammen (Online-Plattformen, Flohmärkte, Secondhandshops), landet diese Option sogar auf dem ersten Platz.

Dementsprechend beschäftigt sich die Studie intensiver mit dem Secondhand-Markt, auf dem wie erwartet der Bereich Fashion und Accessoires an der Spitze steht. Auch hier ist die Kostenersparnis das wichtigste Argument, über die Hälfte der Befragten haben zudem ein besseres Gefühl beim Gebrauchtkauf. Insgesamt wächst der Handel mit Secondhand-Produkten, laut der Studie sogar „stärker als der Einzelhandel insgesamt“. Besonders positiv wird hervorgehoben, dass 18% der Befragten Secondhand-Plattformen sowohl zum Kauf als auch zum Verkauf nutzen, sodass ein Kreislauf entstehen kann.

Nachhaltiger Konsum: kein leeres Versprechen

Um die Lebens- und Nutzungsdauer von Konsumgütern zu verlängern, kommt als dritte Alternative außerdem „repair“, also die Reparatur, infrage. Erneut deuten die Zahlen auf ein recht starkes Wachstum hin. In diesem Aspekt landet der Modebereich zwar nur auf dem dritten Platz, hinter Möbeln/Haushaltsgeräten und Fahrrädern. Hier geht es aber nur um professionelle Reparatur, zum Beispiel im Fachhandel. Menschen, die ihre Kleidung selbst reparieren oder upcyceln, sind gar nicht einberechnet.
Insgesamt klingt das Fazit des Konsummonitors Nachhaltigkeit sehr optimistisch. Und tatsächlich bekommt man beim Blick auf die präsentierten Zahlen den Eindruck, dass nachhaltiger Konsum keine Worthülse ist, sondern im Alltag der Konsument*innen mittlerweile einen festen Platz hat. Dennoch gibt es, wie so oft bei diesem Thema, eine Lücke zwischen Denken und Handeln: 58% der Befragten geben an, ein Nachhaltigkeitsbewusstsein entwickelt zu haben, aber nur 39% orientieren ihr Kaufverhalten daran. Das kann man als Problem ansehen, oder, wie der HDE, als Potenzial, insbesondere „für den Fachhandel“. Dabei sollten Unternehmen allerdings eines bedenken: Auf die Frage nach wichtigen Nachhaltigkeitsdimensionen wurde häufig die Aufrichtigkeit der Händler genannt. Greenwashing kommt also vermutlich nicht gut an.

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Autorin / Autor: Aurelia Scheuring - Stand: 24. Mai 2023