Nase an Augen, was ist da los?
Studie: Bei unerwarteten Gerüchen werden auch andere Sinne zur Bewertung herangezogen
Wenn ich an einer Blume rieche, erwarte ich einen blumigen Geruch. Riecht es stattdessen nach Chlor, bin ich irritiert und es dauert eine Weile, bis ich die Sinneswahrnehmung richtig einordnen kann. Dabei werden im Gehirn auch Bereiche aktiv, die auf andere Sinneswahrnehmungen spezialisiert sind, nach dem Motto: Nase an Augen, was ist da los?
Das haben Wissenschaftler:innen der Stockholm University in einer Studie gezeigt, die im Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde. Die Forscher:innen wollten überprüfen, ob die weit verbreitete Theorie, dass das Gehirn vor allem dafür da ist, vorherzusagen, was als nächstes passiert, auch auf den Geruchssinn zutrifft. Bisher wurde das nämlich vor allem für den Sehsinn überprüft.
Um mehr darüber herauszufinden, wie wir verschiedene Sinneseindrücke verarbeiten, führten die Forscher:innen eine kleine Studie mit drei Experimenten durch, zwei Verhaltensexperimente und ein Experiment, bei dem die bildgebende Methode fMRI eingesetzt wurde. Dabei wurden Testpersonen zunächst Worthinweise gegebenen (z.B. "Zitrone"), um eine Erwartung zu erzeugen. Anschließend bekamen sie entweder ein Bild (eine Zitrone, eine Rose o.ä.) oder einen Geruch präsentiert (Zitrone, Rose o.ä.). Die Teilnehmenden sollten dannn schnell entscheiden, ob das Bild oder der Geruch zu dem zunächst gegebenen Worthinweis passte.
Geruchssinn ist nicht primitiv, sondern ziemlich ausgeklügelt
Passte der Worthinweis zu dem Bild oder Geruch, fiel die Enscheidung schnell. Das untermauert die Theroie, dass das Gehirn auf Vorhersagen getrimmt ist.
Passte der Worthinweis aber nicht zum Geruch, dann dauerte die Bewertung nicht nur deutlich länger, sondern es wurden andere Bereiche im Gehirn aktiv, die eigentlich nichts mit dem Riechen zu tun haben - etwa der visuelle Kortex, der auf das Sehen spezialisiert ist. Und das, obwohl es bei den Geruchsversuchen ja eigentlich gar nichts zu sehen gab.
"Das Riechhirn hat also eine ganz eigene Art, Gerüche zu verarbeiten, und es geht darum, ob die Gerüche erwartet werden oder nicht. Der Geruchssinn warnt uns vor Gerüchen, die wir nicht erwartet haben, und schaltet das visuelle Gehirn ein, vielleicht um zu sehen, was es ist, das riecht. Das ist eine kluge Funktion, denn wir Menschen sind so schlecht darin, Gerüche zu erkennen, wenn wir keine Hinweise bekommen", sagt Jonas Olofsson, Professor am Fachbereich Psychologie und Mitautor der Studie.
Das wichtigste Ergebnis der Studie ist den Wissenschaftler:innen zufolge, dass das Riechen viel stärker von Vorhersagen abhängt als das Sehen. "Das ist interessant, weil viele Menschen denken, dass der Geruchssinn primitiv und reaktiv ist, während unsere Forschung zeigt, dass er in Wirklichkeit ziemlich ausgeklügelt und proaktiv ist", sagt Stephen Pierzchajlo, Hauptautor der Studie. "Der menschliche Geruchssinn ist kein reaktiver, sondern ein proaktiver Sinn. Er nutzt eine einzigartige Strategie des Gehirns, um unerwartete Gerüche zu verarbeiten, um zu verstehen, worum es sich dabei handelt."
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Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 12. April 2024