Natürlich gemischt
Faktencheck des Mercator-Instituts für Sprachförderung plädiert dafür, Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen nicht als Risikofaktor für schulischen Erfolg zu werten, sondern als Ressource
Über ein Drittel der Schüler_innen in Deutschland spricht bei der Einschulung neben Deutsch noch mindestens eine weitere Sprache. Kritiker_innen bemängeln dabei immer wieder, dass mehrsprachig aufwachsende Kinder keine ihrer Sprachen gut beherrschen. Aber stimmt diese These? Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung, ist da anderer Meinung. Für ihn ist es "wissenschaftlich nicht erwiesen, dass das Lernen mehrerer Sprachen zur selben Zeit Kinder überfordert und dazu führt, dass sie die Sprachen nur halb lernen“. Weil die Mehrsprachigkeit von Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit immer wieder emotionale Debatten auslöst, will der neu erschienene "Faktencheck Mehrsprachigkeit in Kita und Schule" des Mercator-Instituts für Sprachförderung nun wissenschaftlich fundierte Antworten geben.
Sprachmischungen gehörten zur natürlichen Kommunikation mehrsprachiger Menschen
Wenn Kinder und Jugendliche in ihrer Ausdrucksweise Sprachmischungen verwenden, wird das oft als Hinweis auf eine mangelnde Sprachkompetenz gewertet. Dass sie zwischen den Sprachen wechseln oder Wörter von einer Sprache in der anderen nutzen, ist laut Michael Becker-Mrotzek aber kein sprachliches Defizit. Auch wenn solche Sprachmischungen von außen betrachtet als auffällig wahrgenommen würden, gehörten sie zur natürlichen Kommunikation mehrsprachiger Menschen. Mehr noch, sie erfolgten nicht willkürlich, sondern regelhaft etwa zwischen den Sätzen, und seien Beleg dafür, dass die Kinder über grammatikalische Kompetenz in zwei Sprachen verfügen, ist der Forscher überzeugt. „Viel zu häufig wird Mehrsprachigkeit als Hindernis gesehen und nicht als Ressource. Wer mehrere Sprachen spricht, ist aber klar im Vorteil und kann sein Wissen für das Lernen neuer Sprachen nutzen“, betont auch Dr. Till Woerfel, Autor des Faktenchecks und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mercator-Institut.
Mehrsprachiges Aufwachsen hat keine Nachteile
In der Diskussion um Mehrsprachigkeit geht es immer wieder darum, ob es für die schulischen Leistungen nicht besser ist, wenn beispielsweise türkischsprachige Eltern zu Hause nur Deutsch mit ihren Kindern sprechen. „Aus der Forschung wissen wir, dass Kindern durch das mehrsprachige Aufwachsen keine Nachteile entstehen. Eltern sollten in der Sprache mit den Kindern kommunizieren, in der sie sich am wohlsten fühlen. Sonst kann eine künstliche Kommunikation entstehen, die sich sogar negativ auf die sprachliche Entwicklung auswirken kann“, erläutert Till Woerfel. Wichtiger als eine sogenannte Deutschpflicht sei es, dem Kind reichhaltige sprachliche Angebote in allen Sprachen zu ermöglichen, die es im Alltag nutzt.
Mehrsprachigkeit in Schule und KITA
Der Faktencheck gibt auch Hinweise, wie Lehrkräfte und Pädagog_innen Mehrsprachigkeit gezielt unterstützen können. „Dafür müssen Erzieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte selbst nicht unbedingt mehrsprachig sein. Wichtig ist, dass sie didaktisch gut ausgebildet sind“, betont Woerfel. In der Kita können sie mehrsprachige Vorleseaktionen durchführen oder im Morgenkreis Gegenstände in den verschiedenen Familiensprachen benennen lassen. In der Schule können Lernende, die dieselbe Familiensprache haben, beispielsweise Aufgaben gemeinsam bearbeiten und die Ergebnisse in dieser Sprache festhalten.
Der Faktencheck kann hier heruntergeladen werden
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung