Nie ohne meinen Helm

Warum ein Fahrradhelm uns sogar dann ein Sicherheitheitsgefühl gibt, wenn wir gar nicht auf einem Rad sitzen

Fühlt ihr euch manchmal irgendwie unvollständig, wenn ihr bestimmte Dinge nicht dabei habt, obwohl ihr sie gar nicht braucht? Euren Fahrradschlüssel, wenn ihr nur einen Spaziergang macht, das Smartphone, wenn ihr im Bad seid oder die Taschenlampe, wenn ihr an einem Sommermorgen Brötchen holen geht? Die Bedeutung mancher Gegenstände hat sich für uns inzwischen so verselbstständigt, dass wir uns sogar auf sie verlassen, wenn wir sie eigentlich gar nicht brauchen. Ein gutes Beispiel ist auch der Fahrradhelm. Schon Kinder lernen, dass sie mit einem Helm auf dem Kopf geschützter im Straßenverkehr unterwegs sind. Aber die harte, stabile Kopfbedeckung suggeriert Sicherheit – sogar dann, wenn man gar nicht auf einem Rad sitzt und der Helm eigentlich gar keine Funktion hat. Das haben jetzt Psycholog_innen der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der kanadischen University of Victoria herausgefunden.

*Kartenspiel mit Helm*
Während eines Experimentes ließ das Forschungsteam 40 Personen am Computer ein Kartenglücksspiel spielen, bei dem man sich zwischen einer risikoreichen und einer risikoärmeren Variante entscheiden muss. Die Hälfte der Proband_innen trug dabei einen Fahrradhelm unter dem Vorwand, dass der darauf montierte Eyetracker ihre Augenbewegungen misst. Während des Spiels beobachteten die Jenaer Wissenschaftlerinnen mittels EEG, was im Gehirn der Versuchsteilnehmer_innen passiert und machten eine spannende Entdeckung: Die sogenannte „Frontal Midline Theta Power“ – also die Hirnaktivität, die das Abwägen während Entscheidungsprozessen kennzeichnet – war bei den Helmträger_innen weitaus weniger ausgeprägt als bei jenen ohne Helm. Der Helm beeinflusst also die Entscheidungsfindung im Risikospiel eindeutig, was darauf hinweise, dass die Proband_innen mit dem Tragen des Fahrradhelms ein Gefühl der Sicherheit verbinden, erklärt Dr. Barbara Schmidt, die Leiterin der Studie. Die kognitive Kontrolle, so nennen Psycholog_innen den Mechanismus während des Abwägens, sei mit Helm weniger ausgeprägt. „Möglicherweise liegt hier eine Art Priming vor“, sagt Schmidt. „Das heißt, dass der Bedeutungsinhalt, den jeder mit einem Helm verbindet, automatisch Auswirkungen auf die Kognition im Gehirn hat.“

*Wie unser Risikoverhalten beeinflusst wird*
Nun kann man sich fragen, ob die getesteten Gruppen vielleicht unterschiedlich ängstlich waren, was aber nicht der Fall war. Alle gingen vom gleichen Nievau aus in das Exeriment. Damit führt Barbara Schmidt ihre Forschung zu psychologischen Einflussfaktoren auf das Risikoverhalten weiter. „Durch die Untersuchung solcher neuronalen Parameter erfahren wir mehr darüber, warum wir so handeln, wie wir es tun – und wie sich das beeinflussen lässt“, sagt die Jenaer Expertin. In der vorliegenden Studie ging es um eine sehr subtile Manipulation, das Tragen eines Fahrradhelms. Sicherheit könne aber noch viel deutlicher suggeriert werden, zum Beispiel unter Hypnose, so die Wissenschaftlerin, die auch dazu forscht. „Für uns ist es sehr interessant zu beobachten, wie stark Suggestionen die Hirnaktivität beeinflussen können“, sagt sie. Proband_inn seien unter Hypnose sehr offen für angebotene Vorstellungen, wie zum Beispiel das Bild eines sicheren Ortes, an dem sie sich geborgen fühlen. So könne das Tragen eines Fahrradhelms auch als eine Suggestion verstanden werden, die unbewusst wirke. "Die aktuelle Studie zeigt, dass selbst solch eine subtile Maßnahme Entscheidungsprozesse signifikant beeinflusst. Experimente wie dieses helfen dabei, die Mechanismen, die hinter der Wirkung von Suggestionen auf Entscheidungsprozesse stehen, genauer zu verstehen.“

Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Psychophysiology“ veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung