Parts Per Million
Autorin: Theresa Hannig
Johanna ist eine Autorin mittleren Alters und lebt mit ihrem Mann und ihrer Teenager-Tochter ein bürgerliches Leben. Ihr aktuelles Buch-Projekt ist ins Stocken geraten, daher verbringt sie ihre Tage nur teilweise am Laptop, und immer häufiger mit Haushalt und allem was sonst so ansteht. Schließlich ist es ihr Mann, der den Großteil des Familieneinkommens bestreitet. Zufällig gerät Johanna eines Tages in eine Aktion von Klimaschützern, die eine Straße blockieren. Während die anderen Autofahrer aggressiv und gewaltsam reagieren, ist Johanna fasziniert vom Mut und der Entschlossenheit der Protestierenden. Sie lädt die Gruppe in ein Café ein um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und mehr über ihre Aktionen und Ziele zu erfahren. In Gedanken beginnt Johanna bereits zu schreiben: Eine Geschichte über ein Heldin in der Klimabewegung, ein Buch das gleichermaßen unterhält und aufrüttelt. Ohne groß darüber nachzudenken entscheidet Johanna sich, selbst an einem Camp der Aktivisten teilzunehmen und auch bei einer Protestaktion dabei zu sein – rein zu Recherche-Zwecken natürlich. Was sie dort erlebt verändert die Dinge für sie, und es fällt ihr schwer in ihr altes Leben zurückzukehren und alles zu vergessen, was sie mit den Aktivisten erlebt hat. Also entscheidet sie sich, das nicht zu tun – stattdessen verlässt sie ihre Familie, um an ihrem Buch zu schreiben und sich weiter mit den Klima-Aktivisten zu vernetzen.
Ich persönlich empfinde Klimaschutz als ein sehr wichtiges Thema und freue mich deshalb immer über Bücher, die die allgemeine Aufmerksamkeit auf dieses Thema richten und auch die verschiedenen Aspekte und Entwicklungen aufzeigen. Daher war ich auch auf „Parts per Million“ von Theresa Hannig sehr gespannt. Was mir wirklich gut gefallen hat, war die Anknüpfung an unsere heutige Realität. Auch wenn keine genauen Jahreszahlen genannt werden, und einige der politischen und rechtlichen Gegebenheiten anders sind, als wir sie heute vorfinden, könnte das Buch wahrscheinlich in 2030 oder 2035 spielen. Es geht also nicht um eine ferne Zukunft, eine Dystopie in weiter Ferne, sondern es geht um das, was uns erwarten könnte. Was wir selbst womöglich noch durchleben müssen. Damit grenzt sich das Buch beispielweise von „Der Plan zur Rettung der Welt“ von Nick Fuller Googins ab, obwohl es auch einige Parallelen gibt.
Durch diese zeitliche Nähe wirkt die Story zugänglich und es fällt leichter, sich die beschriebenen Entwicklungen tatsächlich in unserem Alltag vorzustellen. Auch die sprachliche Gestaltung hat es mir einfach gemacht, mich in die Geschichte einzufinden. Hannig schreibt flüssig und verständlich, ohne viel abstrakte Elemente oder Metaphern.
Die Hauptfigur Johanna ist für mich an manchen Stellen jedoch etwas eindimensional geblieben. Ihre persönliche Entwicklung war teilweise vorhersehbar, und auch ihr Ausbruch aus der klassischen Rolle der Hausfrau und Mutter, die den Großteil der Care-Arbeit übernimmt, hat für mich überzeichnet gewirkt. Generell hat die Autorin für mein Empfinden etwas zu viele Klischees bedient, denn auch die Klima-Aktivisten, die Johanna kennenlernt, werden durch einige sehr stereotype Eigenschaften beschrieben: Das sind Menschen die sich anders kleiden, anders sprechen, wenig Wert legen auf ihr Äußeres oder das Entfernen von Körperbehaarung – sie sind im Grunde die Hippies der Neuzeit. Entsprechend legen sie auch ein freizügiges Sexualverhalten an den Tag. Das war mir persönlich zu viel Schubladen-Denken, und hat der Erzählung keinen Mehrwert gebracht.
Deutlich besser gefallen hat mir das letzte Drittel des Buches, in dem Spannung aufkommt und den Leser in Atem hält. Alles in allem finde ich die Geschichte gelungen und unterhaltsam, auch wenn mir an einigen Stellen Schwächen aufgefallen sind.
Erschienen bei TOR
Autorin / Autor: lacrima