Studie untersuchte, welchen Einfluss vorsichtige und risikobereite Gleichaltrige aufeinander haben
Wenn Eltern die Freundschaften ihrer Kinder kommentieren, geht es meist um einen vermeintlich schlechten Einfluss, den XY auf ihren Sohn oder ihre Tochter haben könnte. Auch psychologische Studien über Gruppenzwang nehmen eher die Situationen unter die Lupe, in denen Jugendliche mit Freund_innen zum Beispiel Drogen- und Alkoholexperimente durchführen. Aber könnte es nicht auch sein, dass Gleichaltrige, die Risiken vermeiden, einen ähnlich großen Einfluss haben, sodass die "Vorsichtigeren" andere ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen?
Diese Frage untersuchten Neurowissenschaftler_innen des Virginia Tech's College of Science. Das Forschungsteam unter der Leitung von Chiu und King-Casas rekrutierte 91 Jugendliche und teilte sie in zwei Kategorien ein: Jugendliche, die noch nie Drogen probiert hatten, und Jugendliche, die berichteten, dass sie zuvor Alkohol, Marihuana oder Tabak konsumiert hatten.
Die Freiwilligen, die sich nicht untereinander kannten, trafen sich kurz vor dem Experiment, während die Wissenschaftler_innen ihre Hirnaktivität mit dem funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT) überwachten. Diese Geräte verwenden starke Magnete, um den Sauerstoffgehalt im Blut zu messen - ein indirektes Maß für die neuronale Aktivität, das den Forschern hilft zu erkennen, welche Hirnregionen bei der Entscheidungsfindung beteiligt sind.
Während sie sich in den Scannern befanden, wurde ihnen ein Spiel präsentiert, bei dem sie zwischen einer Reihe von sichereren und riskanteren Optionen wählen mussten: Option A garantierte einen Verdienst von etwa 25 Dollar, Option B bot eine geringe Chance auf 55 Dollar, brachte aber meist nur einen Verdienst von 1 Dollar.
Die Teenager trafen diese Spielentscheidungen allein und auch nachdem sie gesehen hatten, was ihre Altersgenossen gewählt hatten. In der Zwischenzeit zeichnete das Forschungsteam die Entscheidungen auf und verwendete später Computermodelle, um zu ermitteln, welche Hirnregionen am aktivsten waren.
Das Ergebnis: Teenager, die schon Drogen ausprobiert hatten, wählten insgesamt eher die riskantere Option, und ihre Entscheidungen schwankten auch kaum, als sie sahen, was ihre Altersgenoss_innen gewählt hatten.
Diejenigen, die noch nie Drogen konsumiert hatten, folgten hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit den Entscheidungen ihrer vorsichtigeren Altersgenoss_innen und trafen daher selbst auch vorsichtigere Entscheidungen für sich selbst. Die Scans der letzten Gruppe zeigten auch signifikant mehr Aktivität in einer Hirnregion, die für soziale Belohnungen verantwortlich ist: dem ventromedialen präfrontalen Kortex. Diese Hirnregion, direkt hinter den Augenbrauen gelegen, spielt eine Rolle dabei, ob wir uns an die Entscheidungen anderer anpassen oder sie ignorieren.
*Belohnung für Vorsicht*
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Informationen von vorsichtigeren Gleichaltrigen im Gehirn wie eine Belohnung verarbeitet werden. Das Belohnungssignal könnte Teenager dazu führen, die gleichen Entscheidungen zu treffen wie ihre vorsichtigeren Altersgenossen", sagte King-Casas.
Für die Forschenden war das Ergebnis überraschend, weil es zeigt, dass der positive Einfluss von Gleichaltrigen sogar noch wichtiger ist als der negative. "Positiver Gruppendruck kann einige Teenager dazu veranlassen, vorsichtigere Entscheidungen zu treffen, als sie es sonst tun würden", so Pearl Chiu, Co-Autorin der Studie.
*Kleine Unterbrechung mit großen Folgen*
Während des Heranwachsens entwickeln sich laut den Forscher_innen die Belohnungsstrukturen des Gehirns schnell. Doch der präfrontale Kortex - eine Hirnregion, die uns dabei hilft, mit riskanten Impulsen umzugehen - reife erst mit etwa 25 Jahren vollständig aus. "Wenn sich die Entwicklung des Gehirns rasch verändert, kann schon eine kleine Unterbrechung eine große Veränderung auslösen", erklärt Dongil Chung, der Co-Erstautor der Studie und Assistenzprofessor in der Abteilung für Biomedizinische Technik am Ulsan National Institute of Science and Technology in Südkorea.
In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler_innen die Jugendlichen längere Zeit begleiten und bessere Modelle dafür finden, wie sich die Reaktionen des Gehirns auf vorsichtigere und risikobereitere Gleichaltrige verändern. "Diese Entwicklungspfade könnten eine weitere Erklärung dafür sein, wie der Gruppendruck von Gleichaltrigen sowohl positiv als auch negativ wirken kann", sagte Chiu.