Privatschulen kaum besser als private
Studie rettet Ruf der staatlichen Schulen
Seit Erscheinen der ersten PISA-Studie 2001 melden immer mehr Eltern ihre Kinder nicht mehr an staatlichen Schulen an, sondern schicken ihre Töchter und Söhne lieber auf eine Schule in freier Trägerschaft. Zwischen 1992 und 2008 stieg die Zahl der SchülerInnen an Privatschulen von 4,8% auf 7,7%. Doch sind die allgemeinbildenden
Privatschulen tatsächlich qualitativ besser als die öffentlichen? Dieser Frage ging jetzt Prof. Dr. Manfred Weiß vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt nach und veröffentlichte eine Studie, um den Spekulationen ein Ende zu bereiten.
Staatliche Gymnasien schneiden nicht schlechter ab als private
Das Geschäft mit Privatschulen scheint zu boomen: Seit 1992 stieg die Zahl der SchülerInnen an allgemeinbildenden Privatschulen bundesweit um 55%. Die meisten PrivatschülerInnen besuchen Gymnasien (40%), es folgen Realschulen mit knapp 17%, Freie Waldorfschulen mit 11,5% und Grundschulen, die mit über 11% noch vor den Förderschulen liegen (10%). Rund zwei Drittel der PrivatschülerInnen gehen auf Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Das übrige Drittel verteilt sich auf Schulen, die dem Verband Deutscher Privatschulen angehören, dem Bund Freier Waldorfschulen und dem Bundesverband der Freien Alternativschulen.
Interessant ist auch, dass traditionell mehr Mädchen als Jungen private Bildungseinrichtungen besuchen. Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund besuchen dagegen nur zu 4% private allgemeinbildende Schulen; bei den deutschen SchülerInnen sind es doppelt so viele. Vor allem der Bildungsstand der Eltern führt viele Kinder auf Privatschulen, sie hoffen, dass ihre Söhne und Töchter dort ein "besseres soziales Milieu" vorfinden, dort mehr für ihre Persönlichkeitsbildung getan wird, und dass sie dort mehr lernen, um ihre Chancen im Berufsleben zu steigern.
Doch werden diese Erwartungen tatsächlich erfüllt? Auf Bundesebene gibt es bislang nur aus der ersten Ergänzungsstudie zu PISA breitere Daten darüber, wie leistungsfähig Privatschulen sind. Das sich darin abzeichnende Bild ist eher uneinheitlich und zeigt nur wenig bedeutsame Leistungsunterschieden zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen. Allerdings schneiden die privaten Realschulen etwas besser ab als die öffentlichen, bei den Gymnasien ist es dagegen umgekehrt: dort lohnt sich es sich offenbar nicht so sehr, sich aus dem öffentlichen System auszuklinken. Zumindet was die rein schulischen Leistungen betrifft.
Bezogen auf das Schulklima und die Zufriedenheit der Eltern schneiden die Privatschulen laut der PISA-Stichprobe allerdings besser ab, kein Wunder, denn private Träger stellen oft ein besseres Angebot an Ganztagsschulen, Förderschulen oder zweisprachigem Unterricht. Das Grundgesetz garantiert übrigens ein vielfältiges Schulangebot durch Privatschulen. Damit wird Eltern ein individuelles Freiheitsrecht gesichert. Gebrauch davon machen allerdings hauptsächlich die sogenannten "bildungsnahen Schichten". Kinder deren Eltern selbst keine hohen Bildungsabschlüsse haben, bleiben eher auf den öffentlichen Schulen. Diese frühe Trennung der Bildungswege führt langfristig aber zu noch mehr Abgrenzungen in der Gesellschaft. Prof. Rolf Wernstedt, Niedersächsischer Kultusminister a.D. und Moderator des Netzwerks Bildung warnt daher im Vorwort der Studie: "Wirklich beunruhigend ist eine Beobachtung, die mit der fortschreitenden Entsolidarisierung der Gesellschaft zusammenhängt. Es ist offensichtlich, dass das Hauptmotiv der Eltern, ihre Kinder an Privatschulen anzumelden, der Wille zur Milieunähe und Distinktion ist. Dies war immer schon so. Ob kirchlich orientiert oder methodisch alternativ denkend, haben Eltern ihre Kinder in solch deklarierten Schulen besser aufgehoben gesehen. In einer Gesellschaft aber, die sich durch ein weiteres materielles und statusmäßiges Abgrenzungssyndrom auszeichnet, kann dies zu problematischen Entwicklungen führen." Was man den Privatschulen allerdings zu Gute halten müsse, sei, dass "die Privatschulen einen innovativen, positiv zu wertenden Wettbewerbsdruck auf das gesamte Schulwesen ausgeübt" hätten.