Raues R, glattes L

Forschung zeigt, wir "fühlen" Buchstaben unterschiedlich

Ist euch schon mal aufgefallen, dass manche Vokale oder Konsonanten eng verbunden sind mit Eigenschaften, die wir damit verbinden? Dass bestimmte Sprachlaute Assoziationen zu visuellen Formen hervorrufen, ist auch schon länger aus Studien bekannt. Aber kann ein Laut auch den Tastsinn beeinflussen? Ein internationales Forscher:innenteam des Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin konnte jetzt in einer internationalen Studie zeigen, dass das Hören von Lauten tatsächlich auch mit dem Fühlen in Verbindung steht.

Aus Studien an Texten verschiedener Sprachen ist bekannt, dass der R-Laut in Adjektiven, die eine raue Oberfläche beschreiben, häufiger vorkommt als in Beschreibungen einer glatten Oberfläche. Das machte die Autor:innen der vorliegenden Studie neugierig: sie wollten wissen, ob auch Hörer:innen verschiedener Sprachen und Kulturen das gerollte R mit einer rauen Oberfläche und einen L-Laut mit einer glatten Oberfläche assoziieren.

13 Wissenschaftler:innen aus neun Ländern untersuchten 28 Sprachen aus zwölf Sprachfamilien, unter anderem Mandarin, Palikúr, Koreanisch oder Zulu. Sie baten die Teilnehmer:innen, Bilder von zwei Linien – einer gezackten und einer glatten – zu betrachten und sich vorzustellen, mit dem Finger entlang jeder Linie zu fahren. Anschließend hörten sie Aufnahmen eines gerollten R-Lauts bzw. eines L-Lauts und ordneten den Laut einer der Linien zu. Um eine möglichst breite sprachliche und kulturelle Diversität zu erreichen, führten die Wissenschaftler:innen für manche Sprachen das Experiment im Internet durch, für andere als Feldforschungsexperiment vor Ort.

Tatsächlich bestätigte sich, dass 88 % der Online-Teilnehmer:innen und 98 % der Feld-Teilnehmer:innen das gerollte R mit der gezackten Linie und den L-Laut mit der glatten Linie in Verbindung brachten. Dieser Effekt liegt weit über dem Zufallsniveau von 50 %. Studienleiterin Dr. Aleksandra Ćwiek sagt dazu: „Was mich überrascht hat, ist, dass der Effekt nicht nur bei Sprachen auftritt, die R- und L-Laute unterscheiden, wie das Deutsche, sondern sogar in Sprachen, die diese Laute als ein und dieselbe Kategorie betrachten, wie das Japanische oder das Koreanische."

Diese Neuentdeckung untermauere die Bedeutung der sogenannten Ikonizität von Lauten, also der Ähnlichkeit zwischen einem Klang und einer Bedeutung, erklärt die Sprachwissenschaftlerin. Es gäbe allerdings ein Einschränkung: Bei Sprachen, in denen das gerollte R sehr oft vorkommt, wie zum Beispiel im Polnischen, wird die Verbindung zu rauhen Oberflächen etwas seltener hergestellt.

Für die Forscher:innen geben die Gesamtergebnisse aber starke Hinweise darauf, dass das gerollte R aufgrund seiner akustischen Eigenschaften eine "universelle Verbindung zu ’Rauheit’ herstellt, unabhängig von kulturellem oder sprachlichem Hintergrund", erklärt Dr. Susanne Fuchs. Diese Art von sinnesübergreifenden Verbindungen könnte dazu geführt haben, dass die gesprochenen Sprachen aus Wörtern und Lauten geformt wurden, die Beschhaffenheit und Form gut beschreiben.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 26. Novemer 2024