Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen

Autor: Isaac Blum
Ins Deutsche übersetzt von Gundula Schiffer

Jehuda, genannt Hoodie, ist der einzige Sohn und das zweitälteste Kind einer jüdisch-orthodoxen Familie, Anna-Marie hingegen ist Christin und Einzelkind. Hoodie fühlt sich zu ihr hingezogen, obwohl und vielleicht gerade, weil sie aus ganz verschiedenen Welten stammen.
Ihr erstes „Date“ ist auf dem Friedhof, wo sie gemeinsam Hakenkreuze von jüdischen Grabsteinen entfernen. Es ist das erste Mal für Hoodie, dass ihm Antisemitismus so offen begegnet. Seine Familie hat zuvor in Colwyn gelebt, dort war die jüdisch-orthodoxe Gemeinde wohl etabliert. In Tregaron hingegen ist sie neu und mit einer konservativen und antisemitischen Gesellschaft konfrontiert.
Hoodie denkt, dass er etwas Gutes macht, in dem er die Gräber seiner Vorfahren säubert. Seine Gemeinde hingegen stößt sich daran, dass er die Hakenkreuze einfach entfernt, ohne sie vorab zu fotografieren, um diese Tat verurteilen zu lassen. Zudem ist er mit einem Mädchen, genauer gesagt einer Nichtjüdin dort. Hoodies Vater sieht Anna-Marie vordergründig als die Tochter der Bürgermeisterin, welche den Bau eines Hochhauses, das für den Zuzug weiterer jüdisch-orthodoxer Familien wichtig ist, stoppt.


Eine Einladung zur Reflexion

Im Verlauf der Geschichte wird Hoodie zum Außenseiter. Er hinterfragt sein bisheriges Leben, allen voran, ob er weiterhin ein jüdisch-orthodoxes Leben führen möchte. Bezüglich Weltanschauungen und zwischenmenschlichen Beziehungen ist dieser Roman auf jeden Fall eine Einladung zur Reflexion.
Anna-Marie wirft die Frage auf, ob die beiden wirklich in zwei ganz unterschiedlichen Welten leben, oder ob sie nicht viel mehr in ein und der selben Welt leben und bisher nur gänzlich andere Erfahrungen gemacht haben. Für Moshe Zvi, Hoodies Freund, scheint schon der Kontakt mit jemandem von “außerhalb” nicht tolerierbar.
Mein Lieblingscharakter ist Zippy, Hoodies ältere Schwester. Sie steht immer hinter ihm, er bezeichnet sie so zum Beispiel auch als seine Anwältin, wenn ihm von seinem Vater eine Schimpftirade bevorsteht. Sie ist Hoodies Vertraute, und ist maßgeblich am positiven Ausgang der Geschichte beteiligt. Aber der Weg dorthin ist weit und sehr aktuell.

Das Buch liegt gut in der Hand, lässt sich angenehm blättern und das Papier ist von einer angenehmen Dicke. Die Geschichte liest sich flüssig. Die Sprache ist bildlich, häufig ironisch, und der Plot wirkt nicht gestellt. Und obwohl er in den USA angesiedelt ist, ist er universell lesbar. Mir gefällt gut, dass dieses Buch als ein Einstieg in die jüdisch-orthodoxe Lebensrealität dienen kann. Auch Laien können der Geschichte gut folgen, und sollte tiefer gehendes Interesse bestehen, gibt es hinten ein ausführliches Glossar. Ähnlich wie der Schreibstil ist dieses auf den Punkt, nicht zu knapp und nicht zu ausschweifend. Ich finde Isaac Blums Debütroman gelungen und empfehle ihn auf jeden Fall weiter. Hoffentlich erscheint bald sein zweiter Band in deutscher Übersetzung.

Erschienen bei Gulliver von Beltz & Gelberg

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Autorin / Autor: VFM - Stand: 31. Juli 2024