Schmerzhafter Unglaube
Erwartung beeinflusst Wirksamkeit von Schmerzmitteln
Der Glaube versetzt Berge. Das gilt auch in der Medizin, wie der vielfach nachgewiesene Placeboeffekt immer wieder faszinierend vor Augen führt. Allerdings kann sich die positive Wirkung des Glaubens und Erwartens auch ins Gegenteil verkehren. Stellen PatientInnen nämlich die Wirksamkeit eines Medikaments von vorneherein in Frage, dann wirkt es möglicherweise auch nicht mehr wie zu erwarten wäre. Dieses seltsame Phänomen, das auch unter dem namen Nocebo-Effekt bekannt ist, haben WissenschaftlerInnen in Versuchen mit Freiwilligen untersucht. Dr. Ulrike Bingel, Neurologin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), hatte 22 gesunde Testpersonen mehrfach für einige Sekunden einem kontrollierten Hitzereiz ausgesetzt, der zu einem mittleren bis starken Schmerz (durchschnittlich 70 auf einer Skala von 0 bis 100) führte. Während des Versuchs erhielten die Testpersonen mittels Infusion ein stark wirksames, opioidhaltiges Schmerzmittel in drei verschiedenen Bedingungen: In der ersten bekamen die Probanden das Schmerzmittel in einer "verdeckten" Infusion, rechneten also nicht mit einer Schmerzlinderung. Die Schmerzintensität sank auf etwa 60 von 100.
"Wenn wir den Probanden dann in der zweiten Bedingung mitteilten, dass ihnen jetzt das Medikament verabreicht wird, verdoppelte sich der schmerzlindernde Effekt der identischen Medikamentendosierung", erklärte die UKE-Wissenschaftlerin. Die Schmerzintensität sank in der Erwartung einer Behandlung auf unter 50.
Angst vor dem Schmerz zerstörte den Effekt des Medikaments vollständig
Gänzlich aufgehoben dagegen wurde der schmerzlindernde Effekt des starken Schmerzmittels, wenn den ProbandInnen in der dritten Bedingung gesagt wurde, dass sie keine Therapie mehr erhielten und es gleich stärker schmerzen könnte. Obwohl ihnen ohne ihr Wissen weiter das Analgetikum verabreicht wurde, schnellte die Schmerzintensität wieder auf den Ausgangswert an. Dr. Bingel: "Die negative Erwartung und die Angst vor dem Schmerz haben den Effekt des Medikament vollständig zerstört. Der Schmerz war bei den Probanden genauso stark, als hätten sie überhaupt kein Medikament bekommen. "
Während der Versuche zeichneten die ForscherInnen außerdem die Gehirnaktivitäten der Schmerzgeplagten auf. Dabei wurde sichtbar, wie sehr die Erwartungshaltung das Schmerzempfinden beeinflusst. Glaubte ein Proband etwa an die positive Wirkung des Medikaments, wurde das körpereigene schmerzhemmende System zusätzlich aktiviert und verstärkte so die schmerzlindernde Wirkung des von außen zugeführten Schmerzmittels.
Bingel ist überzeugt, dass diverse Erkentnisse vor allem bei der Therapie chronischer Schmerzpatienten helfen könnte, etwa indem man stärker darauf achtet, negative Erwartungen zu vermeiden und den Glauben an den Erfolg der Behandlung zu stärken.
Ihre Erkentnisse beschreibt die Wissenschaftlerin in der Zeitschrift Science Translational Medicine.
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 21. Februar 2011