SIEBEN STUNDEN. Wen würdest du retten?
Autorin: Megan Miranda
Aus dem Englischen von Melike Karamustafa
Vor 10 Jahren kommen bei einer Abschlussfahrt zwei Kleinbusse von der Straße ab, durchbrechen die Leitplanke und stürzen in eine Schlucht. Es ist eine stürmische Nacht mit strömendem Regen, die den Fluss in der Schlucht immer weiter anschwellen lässt. Dies wird für die überlebenden Schülerinnen und Schüler zu einem Problem. Schließlich schaffen es 9 von ihnen sich zu retten, während 12 ihr Leben verlieren. Zwischen den Überlebenden ist in jener Nacht ein Band entstanden, das sie zusammenhält. Eine tiefe Verbindung, die sie aneinanderbindet und dazu bringt, sich Jahr für Jahr für eine Woche zu treffen. Um an das zu denken, was passiert ist, um sich gemeinsam zu erinnern, und einander im Auge zu behalten. Denn in jener Nacht ist mehr geschehen, als in den offiziellen Berichten steht. Mehr, als die Angehörigen der Toten je erfahren haben. Als sich die Gruppe zum 10. Mal trifft, fehlt ein weiterer Mitschüler: Er hat sich das Leben genommen, und sein Tod sorgt für tiefe Risse in der einst eingeschworenen Gemeinschaft. Plötzlich scheint es, als ob die Vergangenheit sie einholt: Ihre jährliche Zusammenkunft wird von seltsamen Vorkommnissen gestört. Werden sie beobachtet? Wird die Wahrheit nun doch ans Licht kommen?
Megan Miranda hat in „Sieben Stunden“ nicht nur ein, sondern gleich zwei Geheimnisse verpackt: Was ist damals wirklich geschehen? Und was hat das mit den ungewöhnlichen Ereignissen in der Gegenwart zu tun? Entsprechend kommt die Geschichte gleich mit der doppelten Ladung Spannung daher, die mich als Leserin direkt eingenommen hat. Die Erzählweise und auch das Tempo der Story haben mir gut gefallen. Die Geschichte wird gleichzeitig in der Gegenwart und in der Vergangenheit erzählt. Die Episoden aus der Vergangenheit werden antichronologisch in Rückblenden erzählt. Was unmittelbar vor und nach dem Unfall wirklich geschehen ist, erfahren wir also erst ganz am Ende der Geschichte. Entsprechend straff ist der Spannungsbogen, und man fliegt nur so durch die Kapitel. Diese überaus packende Gestaltung konnte mich auch darüber hinwegtrösten, dass ich einige Handlungselemente als etwas zu konstruiert empfunden habe. So wird beispielsweise immer wieder betont, wie ungern alle Beteiligten an den jährlichen Treffen teilnehmen – warum sie es trotzdem tun, wird mir nicht ganz klar. Es gibt keinen äußeren Zwang, mehr einen inneren Drang, Zeit mit den anderen zu verbringen, obwohl sich einige in der Gruppe nicht wirklich leiden können. Diesen Zusammenhang fand ich etwas schwach, aber ich verstehe, dass die jährlichen Zusammenkünfte für die Dramaturgie entscheidend sind.
Die sprachliche Gestaltung und auch die Zeichnung der verschiedenen Charaktere haben mir zugesagt. Vor allem die Beschreibungen, wie sich die Schülerinnen und Schülern von damals zu erwachsenen Menschen entwickelt haben, mit facettenreichen Leben, die von ihren Jobs, Familien oder Träumen geprägt sind.
Das Ende war für mich eines der intensivsten Elemente dieser Geschichte. Zwar war es für mich relativ unvorhersehbar, allerdings habe ich mich mit der finalen Enthüllung auch etwas allein gelassen gefühlt, weil das Buch danach recht abrupt endet. Hier hätte ich mir etwas mehr gewünscht, aber vielleicht ist der Effekt auch genauso gewünscht: Der Vorhang fällt, und das Stück endet.
Insgesamt hat mir „Sieben Stunden“ von Megan Miranda wirklich gut gefallen, es hat mich ordentlich auf die Folter gespannt, auch wenn es meiner Meinung nach ein paar kleinere Schwächen hat.
Erschienen bei Penguin
Autorin / Autor: Lacrima - Stand: 10. April 2025