Wie ticken Jugendliche 2024?
Die 5. SINUS Jugendstudie wurde vorgestellt
Wie leben und erleben Jugendliche ihren Alltag? Wie optimistisch blicken sie in die Zukunft? An welchen Werten orientieren sie sich? Das sind einige der forschungsleitenden Fragen, mit denen seit 2008 die SINUS-Studie „Wie ticken Jugendliche?“ alle vier Jahre durchgeführt wird.
In der aktuellen Studie 2024 wurden den sich jedes Mal wiederholenden Fragen auch spezielle Fragen gestellt - etwa zum Umgang mit Krisen, sozialer Ungleichheit und Diskriminierung, zu Mental Health, Sinnsuche und Spiritualität in Social Media, Umgang mit Fake News, Geschlechtsidentität und Rollenerwartungen sowie Sport und Bewegung.
Dabei kam heraus, dass die 14- bis 17-Jährigen besorgter sind denn je. Krisen, Klimawandel und Kriege machen ihnen zu schaffen, die Sorge um Umwelt und Klima wächst in der jungen Generation weiter an. Auch die Verunsicherung durch die schwer einzuschätzende Migrationsdynamik und die dadurch angestoßene Zunahme von Rassismus und Diskriminierung ist unter den Teenagern beträchtlich. Auch der Übergang ins Berufs- und Erwachsenenleben ist bei vielen angstbesetzt.
So richtig entmutigen lassen sich die Jugendlichen aber trotzdem nicht. Vielen geht es nach eigener Auskunft gut, weil ihre Grundbedürfnisse gedeckt sind und sie sich sozial gut eingebunden fühlen. Die Weltsicht der jungen Generation entspricht keineswegs dem Klischee der verwöhnten Jugend, sondern ist von Realismus und Bodenhaftung geprägt. Das zeigen auch die angestrebten Lebensentwürfe.
Halt, Geborgenheit, Familie
An der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit und der hohen Wertschätzung von Familie hat sich nichts geändert. Viele träumen von einer glücklichen und festen Partnerschaft oder Ehe, von Kindern, Haustieren, einem eigenen Haus oder einer Wohnung, einem guten Job und genug Geld für ein sorgenfreies Leben - die "Normalbiografie" und "klassische Tugenden" liegen voll im Trend, so die Autor:innen.
„Aware“, aber nicht „woke“
Neben Sicherheit und Geborgenheit (Familie, Freunde, Treue) sind besonders soziale Werte wie Altruismus und Toleranzstark stark ausgeprägt. Auffällig ist, dass zunehmend deutlicher nicht nur die Toleranz in Bezug auf unterschiedliche Kulturen als Selbstverständlichkeit betont wird, sondern auch die Akzeptanz pluralisierter Lebensformen und Rollenbilder (Diversität). Neu gegenüber den Vorgängerstudien ist, dass die Jugendlichen besonders stark für die Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind. Die meisten Befragten zeigen sich demonstrativ offen dafür, wenn (vor allem junge) Menschen ihr Geschlecht non-binär definieren. Zudem sind sich die Jugendlichen fortdauernder Geschlechterstereotype und Rollenerwartungen bewusst.
Sensibilität für Diskriminierung ist groß
Die aktuellen politischen Krisen (wie Krieg oder Inflation) werden von den Jugendlichen registriert, emotional stärker treiben sie allerdings Probleme wie Klimawandel und Diskriminierung um. Gerade Diskriminierung gehört für viele zum Alltag, insbesondere in der Schule. Unabhängig von Schultyp und Herkunft haben die meisten Jugendlichen Diskriminierung schon selbst erlebt oder im unmittelbaren Umfeld beobachtet. Die Institution Schule vermag dem Problem oftmals nicht beizukommen.
Die Jugendlichen sind sehr sensibel für strukturelle Ungleichheiten. Sie beobachten und kritisieren offene oder verdeckte Diskriminierung. Viele Jugendliche sehen Schule nicht als Ort, wo sie Mitbestimmung lernen und wirklich gehört werden. Nicht wenige der Befragten sprechen spontan die Ungleichheit der Bildungschancen an: Sie nehmen wahr, dass vor allem die soziale Lage über den Bildungserfolg mitentscheidet und sehen besonders migrantische Familien im Nachteil.
Politisches Interesse und Engagement sind begrenzt
Die Jugendlichen haben ein Bewusstsein für soziale Ungleichheit, zeigen aber kein gesteigertes Interesse an diesem Thema. Dasselbe trifft auf das Thema Politik generell zu. Eine gestiegene Politisierung der Jugendlichen im Vergleich zur letzten Erhebung 2020 ist nicht festzustellen. Eher hat Politik trotz der allgegenwärtigen Krisen einen geringen Stellenwert in ihrem Leben.
Das Bewusstsein für politische Themen wird vor allem durch deren mediale Präsenz beeinflusst, aber selten fühlt man sich persönlich betroffen (Ausnahme: Klimakrise, Diskriminierung). Langfristiges politisches Engagement ist die Ausnahme. Der andere Teil der Jugendlichen tendiert zur Verdrängung, weil er sich kognitiv oder emotional überfordert fühlt.
Hauptgründe für die Distanz zu politischen Themen und Beteiligungsformen sind die gefühlte Einflusslosigkeit und die als gering empfundene persönliche Kompetenz. Die Mehrheit der Jugendlichen befürwortet das Wahlrecht ab 16 Jahren. Einige fühlen sich aber nicht ausreichend dafür vorbereitet.
Ernst genommen werden, aber nicht mitgestalten
Die Mehrzahl der Jugendlichen, quer durch alle Lebenswelten, möchte mitreden und Gehör finden – ob in der Familie, im (Sport)Verein, in der Jugendgruppe oder der religiösen Gemeinschaft. Was aber Mitbestimmung und Mitgestaltung angeht, sind die Einschätzungen kontrovers und, insbesondere hinsichtlich der angenommenen Erfolgschancen, stark lebensweltlich geprägt. Barriere Nr.1, an der Mitsprache und Mitgestaltung der jungen Generation oft scheitern, sind „die Erwachsenen“, von denen sich viele Jugendliche nicht ernstgenommen und respektiert fühlen.
Bewusstsein für Fake News und die negativen Folgen des Social Media-Konsums
Ein Leben ohne Social Media (insbesondere TikTok, Instagram und YouTube) ist für die meisten Jugendlichen nur schwer vorstellbar. Soziale Medien werden zum Zeitvertreib, zur Inspiration für Lifestyle-Themen und zum Socializing genutzt – aber auch als Tool, um Themen und Dinge, die Sinn im Leben geben, (besser) kennenzulernen und zu verfolgen.
Soziale Medien sind für die meisten Teenager die bei weitem wichtigste Informationsquelle. Dies gilt auch für politische Nachrichten, die meist zufällig mitgenommen werden.
Die Gefahr, Falschinformationen, Übertreibungen und manipuliertem Content ausgesetzt zu sein oder sich in Filterblasen zu bewegen, ist den befragten Jugendlichen bewusst. Dabei glauben die meisten, Fake News zu erkennen, vor allem mittels „gesundem Menschenverstand“. Aktive Recherchen zur Glaubwürdigkeit oder Richtigkeit von Beiträgen kommen eher selten vor.
Viele der befragten Jugendlichen den eigenen Social-Media-Konsum durchaus kritisch. Sie haben das Gefühl, zu viel Zeit in den sozialen Medien zu verbringen, was ihnen - wie sie glauben - nicht guttut: „verplemperte Lebenszeit“, Reizüberflutung, Suchtverhalten und Stress auch durch den Vergleich geschönter Darstellungen im Internet mit der eigenen(körperlichen und sozialen) Realität.
Auch wenn vieles in den sozialen Medien nicht hinterfragt bzw. unkritisch konsumiert wird, zeigt sich in der jugendlichen Zielgruppe ein wachsendes Unbehagen. Vor allem bildungsnahe Jugendliche versuchen darum, ihre Social Media-Nutzung zu begrenzen bzw. aktiv zu steuern: Handy ausschalten, bestimmte Apps löschen, problematische Aspekte mit Nahestehenden besprechen.
Die Digitalisierung von Schulen wird von vielen Jugendlichen als unzureichend empfunden. Oftmals haben sie das Gefühl, die Lehrkräfte seien gegenüber digitalen Möglichkeiten nicht genug aufgeschlossen.
Sport als „Droge gegen Stress“
Auch Sport und Bewegung dienen Jugendlichen, um dem Alltagsstress entgegenzuwirken und Probleme zu vergessen. Auf die Nachfrage, welche Rolle Sport und Bewegung für das eigene Wohlbefinden spielt, berichten die meisten – unabhängig von Geschlecht, Bildung und Lebenswelt – von einem „guten Gefühl“, das sich sowohl während als auch nach dem Sport einstellt. Zudem steht das Motiv der Vergemeinschaftung im Fokus: Sport- und Bewegungsstätten sind für Jugendliche wichtige Orte der Begegnung und des Zusammenkommens. Aber: Viele beklagen, dass es ihnen an öffentlichen Bewegungsorten fehlt.
Quelle:
Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 13. Juni 2024