Haltet ihr euch für unumstößlich tolerant, liberal und weltoffen? Dann dürften euch die folgenden Studienergebnisse aus den Latschen hauen: Wie eine US-amerikanische Universität herausfand, reichen nämlich nur ein paar Minuten Musik aus, um einem den Kopf zu verdrehen und ganz andere Seiten hochkommen zu lassen.
Für die Studie wurden 148 weiße StudentInnen in verschiedene Gruppen eingeteilt. Sie bekamen die Aufgabe, herauszufinden, an welche Gruppen die Studiengebühren verteilt werden sollten und was generell damit passieren solle. Vor der Befragung mussten sie in einem Wartezimmer Platz nehmen und durften weder Mp3-Player, noch Computer, Telefone oder Lesestoff bei sich haben. Während der etwa siebenminütigen Wartezeit wurde leise Musik im Hintergrund abgespielt; eine Gruppe hörte Mainstream Rock (wie z. B. Bruce Springsteen), eine andere Titel aus den Top 40 der Pop-Musik (z.B. Justin Timberlake), und eine dritte Gruppe wurde mit radikalem weißem "Power-Rock" beschallt (ein Genre, das gerne von rassistischen Gruppen gehört wird). Nach der Wartezeit bekamen die TeilnehmerInnen dann Infomaterial zu verschiedenen Unigruppen mit der Bitte, zu entscheiden, wem sie ihre Studiengebühren geben würden: dem Zentrum für afroamerikanische Studien, dem Zentrum für lateinamerikanische Studien, arabisch-amerikanischen Studien oder der landwirtschaftlichen Fakultät (Vortests hatten gezeigt, dass landwirtschaftliche Studien von den StudentInnen eher mit Weißen assoziert werden).
Das Ergebnis: diejenigen, die die ethnisch vielfältigere Top 40 Pop-Musik gehört hatten, teilten die Gelder nahezu gleich auf und unterstützten sowohl Weiße, Afro-Amerikaner, Araber und Latein-Amerikaner. Diejenigen, die vom Mainstream-Rock beschallt worden waren, gaben den Hauptanteil, ca. 35 Prozent des Geldes der weiß-amerikanischen Gruppe - und den anderen drei Gruppen jeweils nur etwas mehr als 20 Prozent. Die Wartenden, die den radikalen weißen Power-Rock gehört hatten, gaben der weiß-amerikanischen Gruppe das meiste - sogar 40 Prozent, während sie der lateinamerikanischen Gruppe 25 Prozent, der afro-amerikanischen Gruppe 16 Prozent und nur 15 Prozent den arabisch-amerikanischen Studienzweigen zuteilten.
Die StudienautorInnen beobachteten, dass diejenigen, die den weißen Power-Rock gehört hatten, sehr gezielt, fast schon strafend das Geld aus den afro-amerikanischen und arabisch-amerikanischen Gruppen abgezogen hatten, so erzählt Silvia Knobloch-Westerwick. "Diejenigen, die die Rock-Musik gehört hatten gaben zwar auch mehr an die weißen StudentInnen, aber sie verteilten den Rest zu gleichen Teilen unter den drei übrigen Gruppen, sie nahmen also keine 'Bestrafungen' gegen die anderen vor."
Zwar fanden sich in den vorgespielten Rockmusik-Stücken keine Texte in Bezug auf Rasse oder ethnische Herkunft, aber dieses Genre sei im allgemeinen mit weißen Amerikanern verbunden und stärke so ihre Gruppenzugehörigkeit, erklärt Heather LaMarre, Hauptautor der Studie an der University of Minnesota. Anscheinend sind es nicht nur die Texte, die unsere Entscheidungen beeinflussen, sondern vielmehr die Musikrichtung. "Guter, altmodischer Rock and Roll - ohne hasserfüllte Texte - war offenbar Anlass genug, der weiß-amerikanischen Gruppe mehr Geld zu geben", so LaMarre.
"Die Musik hat eine Menge Energie, um unser Denken und Handeln zu beeinflussen - mehr, als wir oft denken", erzählt Knobloch-Westerwick. "Sie hat die Macht, unser Zugehörigkeitsgefühl zu unserer eigenen Gruppe und die Ablehnung gegenüber anderen zu verstärken."
Allerdings warnen die ForscherInnen auch davor, die Ergebnisse über zu interpretieren. Die SchülerInnen, die in der Studie den weiß-Power-Rock oder Mainstream-Rock gehört hatten, seien nicht automatisch Rassisten. Viele Studien hätten gezeigt, dass fast jeder unbewusste Vorurteile hat - rassistische und andere. Das Hören von bestimmten Musikrichtungen könne aber diese Vorurteile aktivieren, ohne dass wir uns dessen bewusst seien, so Knobloch-Westerwick. So könnten andere Ethnien ebenfalls ihre eigenen Vorurteile durch das Hören von Rap oder Country verstärken.
Es gilt also: Aufpassen beim Zuhören - nicht die Texte machen die Musik, sondern die Musik macht unsere Gedanken ;-)
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 7. März 2012