Macht Stress sozial?
Studie: Unter Anspannung entstehen weniger Aggressionen als gedacht
Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass Menschen unter Stress leichter reizbar sind, schneller in die Luft gehen und unter Anspannung andere eher anpflaumen. Reagiert auch ihr gereizt und unfair anderen gegenüber, wenn euch gerade alles über den Kopf wächst?
Wenn es nach Markus Heinrich und seinem Team von der Universität Freiburg geht, ist möglicheriwese genau das Gegenteil der Fall. In einer aktuellen Studie wollen die Forscher nämlich herausgefunden haben, dass wir unter Anspannung häufig sogar sozialer sind als in entspannter Atmosphäre.
Alten Lehrmeinungen zufolge sollen Menschen und die meisten Tierarten bei Stress die "Kampf-oder-Flucht-Reaktion" ("fight-or-flight") zeigen. Erst seit den späten 1990er Jahren vertreten einige WissenschaftlerInnen die These, dass Frauen unter Stress alternativ nach dem "Tend-and-befriend-Konzept" handeln, also mit einem beschützenden ("tend") und Freundschaft anbietenden ("befriend") Verhalten reagieren. Männern hingegen wird nach wie vor unterstellt, bei Stress aggressiv zu werden, schreiben die Freiburger ForscherInnen in der Fachzeitschrift "Psychological Science". Grund genug für das Team, experimentell zu untersuchen, wie sich Männer tatsächlich in angespannten Situationen verhalten.
Dafür setzten sie 34 Männer gezielt unter Stress: Sie sollten unter Zeitdruck anspruchsvolle Rechenaufgaben lösen und am Ende einen Vortrag vor Publikum halten. Eine Kontrollgruppe konnte diese Zeit zum Relaxen nutzen. Bevor es anschließend an das eigentliche Experiment ging, maßen die FroscherInnen den Puls der Teilnehmenden und ermittelten den Gehalt von Stresshormonen in ihrem Speichel.
Dann ging es an den Computer. Die TeilnehmerInnen absolvierten unterschiedliche Interaktionsspiele, die es ermöglichen, positives Sozialverhalten, zum Beispiel Vertrauen oder Teilen und sozial negatives Verhalten, etwa Bestrafen, zu messen.
So sollten die Männer in einem Spiel beispielsweise angeben, ob sie den Aussagen ihres virtuellen Spielepartners trauen. Taten sie dies und ihre Entscheidung erwies sich als richtig, so erhielten sie eine große Geldsumme. Lagen sie daneben und der Spielpartner bluffte, so gingen sie leer aus. Misstrauten sie allerdings grundsätzlich ihrem Gegenüber, so bekamen sie auch grundsätzlich nur eine kleine Summe ausgezahlt. In weiteren Spielen durften die Männer frei entscheiden, ob sie einen gewonnenen Geldbetrag gerecht oder ungerecht mit einem Partner teilen wollten oder ihre Spielpartner bestrafen, wenn sie das Gefühl hatten, diese verhielten sich unfair.
Im Ergebnis zeigten die Teilnehmer, die unter Stress standen, deutlich mehr positives Sozialverhalten als diejenigen der Kontrollgruppe, die entspannt in die Spiel-Situation gingen. Für Markus Heinrichs hat dies weitreichende Konsequenzen für ein besseres Verständnis der sozialen Bedeutung von Stress: "Aus vorherigen Studien unseres Labors wussten wir bereits, dass positiver sozialer Kontakt mit einem vertrauten Menschen vor einer Stresssituation die Stressreaktion reduziert. Offenbar ist diese Bewältigungsstrategie so stabil verankert, dass Menschen auch unmittelbar im oder nach dem Stress durch positives soziales Verhalten Stressreaktionen verändern können."
Aber das wussten ja in gewissem Sinne auch schon die drei Musketiere, die selbst im Kampf und unter widrigsten Bedingungen nach dem Motto "alle für einen und einer für alle" gehandelt haben ;-)
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 24. Mai 2012