Mehr sportliche Vielfalt und Inklusion

Lilith schreibt über binäre und nicht-binäre Geschlechterkategorien im Sport und wünscht sich, dass alle Jugendlichen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, an Sportarten teilnehmen und von den Vorteilen körperlicher Aktivität profitieren können

Ich liebe es, wenn ich durch die Luft fliege, mich in verschiedenste Richtungen drehe, springe und tanze. Sport ermöglicht mir persönlich, mich auszutoben, frei zu sein, Stress abzubauen – eine Abwechslung im Alltag zu haben. Gleichzeitig ist mir mein Privileg bewusst, meiner Sportbegeisterung nachgehen zu können wie ich will. Das ist nämlich bei weitem nicht für jede Person der Fall, obwohl das Ziel unserer Gesellschaft eigentlich sein sollte, die sportlichen Türen weit zu öffnen, anstatt zu schließen – denn: laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit schätzungsweise 81% der Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren zu wenig körperlich aktiv.

Umso besorgniserregender also, dass einigen Jugendlichen der Zugang zu Sport erschwert wird – insbesondere der LGBTQIA+ Community. Die Liste an Barrieren, denen sich Zugehörige dieser Gruppe noch bis heute in zahlreichen Disziplinen und sportlichen Beteiligungsformaten gegenübersieht, ist lang. So sind diese Individuen in Gruppensportarten extrem unterrepräsentiert und begegnen auch bei Individualsportarten zahlreichen Hürden – insbesondere im Hinblick auf Wettbewerbskategorien und vergleichbaren Leistungsmessungen. Dies reicht bis hin zu den Olympischen Spielen, bei denen Diskussionen über Testosteronhöchstwerte, regelmäßige Testungen und Untersuchungen der Körpermerkmale immer und immer wieder in der Diskussion stehen. Traditionell finden die meisten Teamsportarten in gleichgeschlechtlichen Teams statt, und schon in jüngsten Jahren wird binär getrennt. Bereits im Sportunterricht begegnet uns tagtäglich eine Leistungsmessung in binären Geschlechterkategorien. All dies führt dazu, dass es für diese Jugendlichen nur wenig Raum gibt, sich auszudrücken, Geschlechternormen in Frage zu stellen und die Vielfalt und Inklusion zu erhöhen.

In Sportumkleideräumen nicht sicher

Darüber hinaus haben Schülerinnen und Schüler mit nicht-binären Geschlechtsidentitäten Schwierigkeiten, an geschlechtsspezifischen Aktivitäten wie vielen Sportdisziplinen teilzunehmen. Eine kürzlich an der Simon Fraser Universität durchgeführte Studie fand heraus, dass unter 11 % der nicht-binären Jugendlichen in Kanada an Mannschaftssport teilnehmen. Deutlich weniger als mit 68 % in ihrer Altersgruppe üblich. Missbrauch und Diskriminierung sind die Hauptfaktoren, die nicht-binäre Individuen davon abhalten, an Teamaktivitäten teilzunehmen. Egal ob in Wettkampfsituationen oder während des Trainings haben nicht-binäre Jugendliche von der Verwendung transphober Sprache durch Trainerinnen und Trainer und dem Gefühl berichtet, in Sportumkleideräumen nicht sicher zu sein. All dies sind tiefgreifende Gründe für ein Klima, in dem LGBTQIA+ Jugendlichen Sporttreiben alles andere als schmackhaft gemacht wird.

Die Schwierigkeiten der LGBTQIA+ Community im Sport erstrecken sich auch auf Paarsportarten, wie z.B. Lateinamerikanischer Tanz oder Rock’n’Roll Akrobatik, wo die Paarkategorien klar binär getrennt sind. Während in sozialen Settings im Ballsaal inzwischen lieber die Rede von Leader und Follower ist anstelle von Herr und Dame, denen spezifische Schritte und Führungsaufgaben innerhalb der Choreographie zugewiesen werden, existiert sobald es auf die Wettkampffläche geht, wenig Freiraum.

180 offen queere Athlet:innen bei den Olympischen Spielen in Tokio

Es gibt jedoch auch Hoffnung: Bei den Olympischen Spielen in Tokio traten mindestens 180 offen queere Athletinnen und Athleten an – ein Rekord. Das sind fast dreimal so viele wie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und mehr als bei allen bisherigen Olympischen Sommer- und Winterspielen kombiniert. Auch Veranstaltungen wie die Gay Games, die seit 1982 stattfinden, bieten der LGBTQIA+ Community die Möglichkeit, Sport zu treiben und sich offen auszutoben. Auch gibt es Sportarten, die von Grund auf inklusiver sind, als Ballsportarten oder olympische Individualdisziplinen. Während es im Zirkus z.B. durchaus rollentypischere Disziplinen für spezifische Geschlechter gibt, stehen alle Gerätschaften, vom Vertikaltuch bis hin zum Jonglieren, grundsätzlich jeder und jedem offen. Die “Teams” sind nicht nach Geschlecht eingeteilt, und die Sportler:innen können sich individuell austoben.

Dennoch sollten uns diese positiven Beispiele für mehr Offenheit und Toleranz nicht davon abhalten, weiter aktiv zu sein und einen gleichberechtigten Zugang zu Sport einzufordern – denn der Weg zu diesem Ziel ist noch lang. Entsprechend ist es umso wichtiger, dass wir alle zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass alle Jugendlichen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, die Möglichkeit haben, an Sportarten teilzunehmen und von den Vorteilen körperlicher Aktivität zu profitieren.

Der Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von

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Autorin / Autor: Lilith/ meintestgelände.de - Stand: 5. Juli 2024