Stress im Kopf

Wie gut wir mit Stress umgehen können, hängt auch von Aktivitäten eines bestimmten Hirnareals ab, so eine Schweizer Studie

Wer sich schnell aufregt, nervös wird oder öfter Angst bekommt, bekommt nicht selten zu hören "Chill doch mal!". Aber liegt es wirklich nur daran, dass diese Menschen sich künstlich aufregen und sich nur mal in die Hängematte schmeißen müssten, um von diesem Zustand herunter zu kommen? Dieser Frage gingen nun Neuroökonomen, Psychologinnen und Mediziner der Universität Zürich nach. Mit einem einem realen Stressreiz konnten sie aufzeigen, dass die erhöhte Aktivität eines bestimmten Hirnareals die Entstehung von Angst- und Depressionsstörungen begünstigt. Damit beschreibt ihre Studie, dass Stress nicht eingebildet ist, sondern es ein objektives, neurobiologisches Maß für Stressresilienz gibt.

Während manchen Menschen Stress offenbar wenig auszumachen scheint, kann eine andauernde Stressbelastung bei anderen zu Angst- und Depressionsstörungen führen. Obwohl der Begriff "Stressresilienz" - also die Fähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen - breit diskutiert wird, ist es noch kaum möglich, individuelle Reaktionen vorauszusagen. In Laborexperimenten kann chronischer Stress nur ungenügend simuliert werden, da eine im Labor erzeugte Belastung nicht annähernd an die Dauer und Intensität von lang anhaltendem Arbeits- und Alltagsstress heranreicht.

Möglich ist es aber, eine Gruppe von Medizinstudent_innen zu untersuchen, die alle kurz vor einer andauernden, realen Belastung stehen: Im Praktikumshalbjahr in der Notaufnahme sind sie akutem wie auch andauerndem Stress ausgesetzt. Diese Stresssituation hat sich ein Team um die UZH-Neuroökonomen Marcus Grüschow und Christian Ruff sowie UZH-Psychologin Birgit Kleim in ihrer Studie zunutze gemacht.

Stress als Reaktion auf Kontrollverlust und kognitive Konflikte

"Wir sind alle mit dem gleichen grundlegenden Stressreaktionssystem ausgestattet, das sich über viele Jahre hinweg entwickelt hat. Die entscheidende Frage ist, ob und wie manche Menschen dieses System effektiver nutzen als andere", kommentiert Marcus Grüschow. Vor Beginn des Praktikums wurde den Teilnehmer_innen eine Aufgabe gestellt, bei der sie widersprüchliche emotionale Informationen verarbeiten mussten. Diese Konfliktaufgabe aktiviert das Locus Coeruleus-Norepinephrin-System (LC-NE), eine Hirnregion, die mit der Regulierung unserer Reaktion auf Stress und der Lösung von Konflikten in Verbindung gebracht wird. Die Intensität der LC-NE-Aktivierung – oft als "Feuerungsrate" bezeichnet – ist jedoch von Person zu Person unterschiedlich.

Proband_innen, bei denen die Reaktion des LC-NE Systems stärker ausgeprägt war, zeigten nach dem Praktikum in der Notaufnahme mehr Angst- und Depressionssymptome. Marcus Grüschow folgert daraus: "Je sensitiver das LC-NE-Erregungssystem reagiert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Person bei andauernden Stress Symptome von Angst- und Depressionsstörungen entwickelt".

Schau mir in die Augen, bevor du deinen Beruf wählst

Damit haben die Forschenden ein objektives, neurobiologisches Maß gefunden, das die Stressreaktion einer Person voraussagen kann. Als erste Studie am Menschen zeigt sie, wie Unterschiede in der Erregungsintensität des LC-NE-Systems als Indikator für Stressresilienz genutzt werden können. "Ein objektives Maß zu haben, ob eine Person gut oder weniger gut mit Stress umgehen wird, kann zum Beispiel für die Berufswahl hilfreich sein. Oder es kann bei der Entwicklung von Stressresilienztrainings mit Neurofeedback eingesetzt werden", erklärt Birgit Kleim mögliche Anwendungen.

Würde das bedeuten, dass nun jede angehende Ärztin oder Polizistin vorher in den Hirnscanner sollte? Christian Ruff empfiehlt eine viel einfachere Methode. Man wisse aus der Tierforschung, dass mit der Erregung des LC-NE-Systems auch Veränderungen der Pupillen einhergehen. "Wenn wir eine analoge Reaktion der Pupillen bei Menschen mit der Aktivierung des LC-NE-Systems in einen kausalen Zusammenhang bringen können, das würde ein weiteres Feld eröffnen", so der Wissenschaftler. Also: "Augen auf bei der Berufswahl" ;-)

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 7. Mai 2021