Rechnen für die Umwelt
Nora studiert Biomathematik. Wieso, weshalb, warum und was das eigentlich für eine interessante Mischung ist, erzählt sie uns im Interview
Du studierst Biomathematik? Was genau kann man sich darunter vorstellen? Und wie bist du ausgerechnet auf dieses Fach gekommen?
Naturwissenschaftliche Studiengänge waren bei mir früh in der näheren Auswahl. Trotzdem wusste ich bis nach dem Abi nicht genau, was ich machen wollte. Schon in der elften Klasse hatten meine Freunde mir vorgeschlagen, Mathe zu studieren. Damals konnte ich mir das gar nicht vorstellen. Ich mochte das Fach zwar, befürchtete aber, es könnte an der Uni und im Beruf zu theoretisch sein. Auch Bio wollte ich nicht studieren, da ich vor dem Auswendiglernen zurückschreckte. Zwei Jahre später stieß ich bei einer Hochschulmesse zufällig auf einen Biomathe-Flyer: Das Ziel der Biomathematik ist, es biologische Probleme mit mathematischen Methoden zu lösen. Diese Kombination weckte mein Interesse.
Inzwischen gibt es viele solcher interdisziplinärer Studiengänge: Biochemie, medizinische Biotechnologie, Landschaftsökologie und viele weitere. Einige, wie „Bioinformatik“ oder „Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften“ haben zwar andere Namen, aber große Ähnlichkeit. Da war es zunächst schwierig, durchzublicken. An Biomathematik gefiel mir, dass das Anwendungsgebiet sehr breit ist. Damals wusste ich noch nicht, ob ich mich lieber mit Medizin- oder Umweltforschung beschäftigen wollte, lieber mit einzelnen Zellen oder ganzen Ökosystemen.
Was macht man genau im Studium? Was sind denn typische Anwendungsgebiete von Biomathematik und wie werden die gelehrt
Das Studium besteht zu 60 Prozent aus Mathe und Informatik und zu 40 Prozent aus Biologie, Chemie und Pharmazie. Wir sitzen oft in denselben Vorlesungen wie Mathematik- und BiologiestudentInnen. Statistik ist ein großes Anwendungsgebiet, aber bei weitem nicht das einzige. In speziellen Biomathe-Vorlesungen lernen wir, wie man Ökosysteme und Epidemien modelliert oder Verwandtschaftsverhältnisse anhand von DNA-Sequenzen bestimmt. Dabei können wir vieles in Übungsaufgaben (auf Papier oder am Computer) selbst ausprobieren. Ein Laborpraktikum in der Biochemie steht auch auf dem Studienplan. Während der Stundenplan im Bachelor fest vorgegeben ist, können wir die Module im Master frei wählen.
Bachelor- und Masterarbeiten können sich mit theoretischen Modellen beschäftigen. Es ist aber auch üblich, dass wir uns angewandte Themen an anderen Instituten suchen. Ich habe meine Bachelorarbeit in der Neurologie geschrieben und für die Masterarbeit sitze ich an einem Thema aus der Psychiatrie.
Auf welche Berufe und Tätigkeitsfelder könnte das hinauslaufen?
Es gibt zwar selten Stellenausschreibungen speziell für Biomathematik, aber viele Arbeitsgruppen freuen sich über die erlernten Fähigkeiten. Von dem, was ich gehört und erfahren habe (bei der Suche nach Bachelor- und Masterarbeitsthemen), sind AbsolventInnen in Forschungsteams gerne gesehen. Im Grunde können BiomathematikerInnen dort arbeiten, wo auch BiologInnen oder MathematikerInnen gebraucht werden. Viele gehen in die biologischen, medizinische oder pharmazeutische Forschung. Einige arbeiten auch in der Biotechnologie oder Softwareentwicklung.
Weißt du schon, wo und in welchem Bereich du später gerne arbeiten würdest?
Ich selbst würde mich später gerne mit Umweltforschung beschäftigen. Wie genau mein Job aussehen soll, weiß ich noch nicht. Ich hoffe, dass ich eine Stelle finde, bei der ich nicht nur am Computer sitze.
Für wen ist Biomathematik geeignet? Muss man absoluter Mathe-Fan sein? Oder reichen eine Begeisterung für Bio und solide Mathekenntnisse?
Ich empfehle das Studium denjenigen, die mathematische Formeln mit Inhalt füllen wollen und an logischen Zusammenhängen in der Natur interessiert sind. Dafür muss man in der Schule kein „Mathefreak“ gewesen sein. Mathematik an der Uni ist anders als in der Schule. Es wird viel mehr bewiesen und weniger gerechnet. Man muss sich drauf einlassen und es ausprobieren. Allerdings macht Mathe den Großteil des Studiums aus und wer sich nicht damit anfreunden kann, wird hier nicht glücklich werden.
Welche Eigenschaften braucht man deiner Meinung nach für dieses Fach?
Logisches Denken, Astraktionsvermögen und Begeisterung am Knobeln sind gute Voraussetzungen. Grade in den ersten Monaten wurde auch mein Durchhaltevermögen auf die Probe gestellt: Mathematik verwendet eine eigene Sprache, in die wir uns erst einfinden mussten. Es war beruhigend zu wissen, dass die anderen genauso wenig verstanden haben wie ich. Teamarbeit ist ebenfalls wichtig. Neue Lösungsansätze kommen oft erst über den Austausch zustande.
Ein kleines Plädoyer für diesen Studiengang? Ganz subjektiv!
Auch wenn ich anfangs sehr gezweifelt habe, bin ich froh, dass ich dabeigeblieben bin. Es gefällt mir, Zusammenhänge zu erkennen und einen Einblick in die verschiedenen Naturwissenschaften zu gewinnen. Außerdem ist jedes gelöste Problem ein kleines Erfolgserlebnis. Darüber hinaus habe ich gelernt, mich von schwierigen Aufgaben nicht abschrecken zu lassen.
In Greifswald ist der Studiengang sehr klein und es gibt eine gute Betreuung. Die Dozentinnen und Dozenten sind hilfsbereit und offen für Fragen.
Vorurteile?
Von Mathe heißt es oft, dass es ein männerdominierter Studiengang ist. Ich habe bei uns nie genau nachgezählt, aber schätze das Verhältnis von Frauen und Männern als ausgewogen ein. Auch die Vorurteile, dass MathematikerInnen Einzelgänger sind, die alleine an ihren Problemen knobeln, kann ich nicht bestätigen. Bei uns ist meist Teamarbeit angesagt.
Für die Zukunft wünsche ich mir:
… mithilfe der Mathematik Lösungen für „reale Problem“ wie dem Klimawandel zu finden.
Autorin / Autor: Nora Großmann, LizzyNet - Stand: 14. Dezember 2020