Sturmflirren
Autorin: Yasmin Shakarami
Reas Leben wir von einem auf den anderen Moment auf den Kopf gestellt: Ihre Eltern eröffnen ihr, dass sie als Familie in nur einer Woche nach Katar umziehen werden. Ihr Vater wird dort eine Stelle in der deutschen Botschaft antreten. Mit einem Schlag wird Rea bewusst was es bedeutet, Diplomatentochter zu sein – sie fühlt sich entwurzelt und nicht bereit, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Und das obwohl das in letzter Zeit sowieso nicht so lief: Sie ist durch ihre Führerscheinprüfung gefallen, und die Proben für das Theaterstück ihrer Schule, bei dem sie die Hauptrolle spielen soll, stressen sie auch immer mehr. Als auch noch ihr Freund mit ihr Schluss macht, hat Rea gar keine Hoffnung mehr, aus diesem Scherbenhaufen irgendwie ein erfolgreiches Leben Katar aufzubauen.
Angekommen in Doha ist Rea fasziniert von den Extremen der Stadt und der Andersartigkeit der Kultur. Auch die Herzlichkeit der Menschen erlebt sie, und trotzdem fühlt sie sich isoliert und fehl am Platz. Bis sie den mysteriösen Shabah und die unglaubliche reiche und coole Farah kennen lernt, die ihr eine ganz andere Seite von Doha zeigen. Doch auch hier gibt es Licht und Schatten, und Rea muss lernen, die Risiken eines freien Lebens in einem unfreien Land einzuschätzen, bevor es zu spät ist.
Was mich besonders neugierig auf „Sturmflirren“ gemacht hat, war das Setting in Katar. Ich mag es sehr, durch Bücher und Geschichten neue Orte zu bereisen, und Katar war bisher noch nicht dabei. Ähnlich wie bei „Schattenbruder“ von Iris Hannema hatte ich das Gefühl, diese neue Kultur beinahe nebenbei zu erleben und kennenzulernen. Allerdings ist mir aufgefallen, dass die Geschichte sich recht schnell auf Shabah und Farah fokussiert, die sich in einer bestimmten Subkultur bewegen. Es gibt auch einige Charaktere, die ein eher typisches Leben in Katar führen, doch von diesen erfahren wir deutlich weniger. Das fand ich etwas schade, denn ich hätte gerne mehr über ihren Alltag erfahren, aber ich verstehe, dass dies dem dramaturgischen Verlauf der Geschichte geschuldet ist.
Die Geschichte rund um Rea, Shabah und Farah ist ungewöhnlich und hat mich tatsächlich überrascht, doch bis zum entscheidenden Wendepunkt kam mir die Story sehr klischeehaft und kitschig vor. Hier heißt es: Ein Auge zudrücken und durchhalten – es lohnt sich! Auch über Reas Entscheidungen und Reaktionen musste ich an der ein oder anderen Stelle hinwegsehen: Sie wirkt teilweise etwas unreif und unreflektiert für ihr Alter, und hat mich eher an eine pubertierende 14-Jährige erinnert. Was mir im Gegensatz dazu sehr gut gefallen hat, war die Gestaltung des Buchcovers und des Farbschnittes. Farbschnitte sieht man inzwischen ja recht häufig, auch mit Mustern oder Illustrationen. Aber dieser in Schwarz und Gold mit verschiedenen Schriftzeichen hat wirklich perfekt zum Inhalt hat des Buches gepasst und wirkt beinahe mysteriös.
Ein weiterer Punkt, der mir beim Lesen durch den Kopf ging, war der Umgang der Autorin mit den vielen Kritikpunkten, die wir als westliche Leser an einem Land wie Katar finden können. Einige dieser Probleme werden im Buch thematisiert, manche mehr, manche weniger, aber viele werden auch nicht benannt. Das ist mir beim Lesen aufgefallen, hat mir ein Stirnrunzeln entlockt, hat mich aber nicht weiter gestört. Schließlich ist „Sturmflirren“ ein Roman, der in erster Linie der Unterhaltung dient. Trotzdem hat die Autorin eine gute Balance gefunden, wodurch sie eben nicht ausschließlich unterhält, sondern ihre Leserschaft ganz nebenbei auch etwas aufklärt und bildet.
Trotz der kleineren Kritikpunkte hat mir „Sturmflirren“ insgesamt ziemlich gut gefallen. Das Buch ist wirklich schön gestaltet und erzählt eine noch schönere Liebesgeschichte, die mit einigen Wendungen und Widrigkeiten daher kommt, und die ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann.
Erschienen bei cbj
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 28. Oktober 2024