Gemütlich, praktisch, unverwüstlich
Am 21. Januar ist der Tag der Jogginghose. Sie hat sich diesen Ehrentag redlich verdient.
Haben wir sie je mehr zu schätzen gewusst? In Zeiten von stay-at-home und Homeoffice gibt und gab es wohl kein gefragteres Kleidungsstück. Sie zwängt die Corona-Plautze nicht ein und ermöglicht die unmöglichsten Sitzpositionen vor dem Bildschirm. Sie ist warm, aber luftig. Sie ist bügelfrei (spart Energie!) und ist nahezu unverwüstlich. Sie ist vielleicht in den Augen einiger nicht gesellschaftsfähig, aber wer sollte sich in Zeiten der Kontaktminimierung daran stören, zumal sie in der Videokonferenz nicht zu sehen ist, es sei denn ihr macht Kopfstand oder wilde Yogaübungen.
An der Jogginghose scheiden sich üblicherweise die Geister. Der verstorbene Modeschöpfer Karl Lagerfeld wird immer wieder als prominenter Jogginghosen-Verächter zitiert, wahrscheinlich ist das sogar der einzige Ausspruch, der uns von ihm in Erinnerung bleiben wird: Wer eine Jogginghose trage, habe die Kontrolle über sein Leben verloren. Warum ein bequemes Kleidungsstück Kontrollverlust bedeuten soll, während es dann als Zeichen der perfekten Selbstkontrolle gewertet wird, wenn man sich der Konvention zuliebe in zu engen Hosen, steifen Hemden, würgenden Krawatten, High Heels und korsettartig quetschender Unterwäsche durch den Tag quält, entbehrt jeglicher Logik. Davon abgesehen verdienen zahlreiche Modeschöpfer_innen und Marken sich mit extravaganten und exorbitant teuren Jogginghosen eine goldene Nase. Warum auch nicht? Es macht für Konsument_innen definitiv mehr Sinn, für bequeme Kleidung viel Geld auszugeben als für solche, die Atmen, Lachen, über Mauern klettern oder mit Spagat angeben unmöglich macht.
Der Tag, der seit 2009 - vermutlich auch gerne mal gemütlich auf dem Sofa - begangen wird, geht verschiedenen Quellen zufolge auf vier österreichische Schüler zurück, die an Fasching in Jogginghosen zur Schule erschienen (Skandal!). Im Folgejahr wurde daraus eine Facebook-Veranstaltung und der Tag der Jogginghose wurde in Sofakissen gemeißelt. Auf einer Seite zum Tag der Jogginghose heißt es, dass seither an diesem Tag Menschen auf der ganzen Welt "selbstbewusst in ihrer Jogginghose zur Schule, zur Uni oder ins Büro" spazieren.
Braucht es diesen Tag noch? Ist eine Jogginghose in der Schule noch ein kleiner Skandal? Vielleicht wäre es spätestens nach der Corona-Pandemie an der Zeit, einen "Skinny-Jeans- und Anzughosentag" auf den Plan zu rufen - vielleicht zu Karneval? Denn wer einmal monatelang am eigenen Leib erfahren hat, wie bequem und bewegungsfreundlich so eine Jogginghose ist, hat wohl wenig Lust, sich noch mal in einengende Klamotten zu zwängen.
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 21. Januar 2022