Tage voller Zorn
Autor: Tuomas Oskari
Übersetzt von Anke Michler-Janhunen
Wir sind in Helsinki im Jahr 2027: Die technologische Entwicklung ist weit fortgeschritten, ebenso die Umweltzerstörung durch den Klimawandel, und die Spaltung der Gesellschaft. Auf der einen Seite sind Menschen, die hart arbeiten und trotzdem kaum über die Runden kommen. Und auf der anderen Seite die Eliten des Landes, Politiker, Banker und Investoren, die exorbitant verdienen – oder direkt ihr Geld für sich arbeiten lassen. Diese gesellschaftliche Entwicklung gibt den linken Strömungen im Land Auftrieb. An ihrer Spitze steht die junge Emma Erola, die zu einer Art Ikone und Heilbringerin in Personalunion geworden ist. Doch die Regierung ist in der Hand der Konservativen – zumindest im Moment noch. Ihr junger und populärer Ministerpräsident Leo Koski verstand es bisher, zwischen dem Volk und den Mächtigen im Land zu vermitteln. Doch seine Geldgeber und Unterstützer fordern immer radikalere Maßnahmen, die große Teile der finnischen Gesellschaft ohne soziale Absicherung und höchst wahrscheinlich in Armut zurücklassen würden. Als man Leo mitteilt, dass seine Absetzung unmittelbar bevorsteht, muss er sich entscheiden: Steht er für seine eigenen Ideale ein, auch wenn dies bedeutet seine Parteigenossen vor den Kopf zu stoßen? Oder nimmer er die Rolle des Bauernopfers an und fügt sich den Plänen der finnischen Eliten?
Doch noch bevor Leo ins Grübeln kommen kann, erschüttert der Freitod einer jungen Frau die Hauptstadt: Eine Hotelangestellte hat sich in einem Baum angebunden und selbst entzündet. Die ersten Spuren führen in die Reihen von Leos Unterstützern – wofür wird er sich entscheiden?
„Tage voller Zorn“ ist wirklich ein besonderes Buch. Schon die Gestaltung des Hardcovers hat mich beeindruckt: Es ist dunkel mit rot-violetten Akzenten, und auch der Buchschnitt ist rot-violett eingefärbt. Damit spiegelt die Optik des Buches sehr gut die Stimmung der Erzählung wieder: Als Leser lernen wir verschiedene Protagonisten kennen, die allesamt von einer düsteren Atmosphäre umgeben sind. Entweder sind sie auf der Flucht oder in geheimer Mission unterwegs, bewegen sich im Verborgenen, suchen den Schutz der Dunkelheit oder retten sich in letzter Sekunde. Verfolgungsjagden und konspirative Treffen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dabei webt Tuomas Oskari die verschiedenen Handlungsstränge geschickt zusammen, sodass sich am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Die Dosierung von Action, Geheimnis und Entwicklung der Handlung ist dabei gut gewählt. Durch den Konflikt zwischen linken und konservativen Ideen, die teilweise auch etwas weiter ausgeführt werden, bekommt die Geschichte einerseits mehr Tiefgang, und dem Leser werden andererseits kurze Atempausen gegönnt, wodurch ein Eindruck von Hektik vermieden wird. Diese Abwechslung von verschiedenen Erzählperspektiven zum einen und Themen zum anderen hat mir sehr gut gefallen. Dadurch wird man als Leser gefesselt und der Unterhaltungswert des Buches steigt. Allerdings bleiben politische und gesellschaftliche Überlegungen und Theorien immer dadurch beschränkt, dass sie Teil eines Thrillers sind. Damit ist der Raum, der ihnen zugestanden wird, auf natürliche Art und Weise begrenzt. Das fördert das Tempo der Geschichte, reduziert allerdings den Tiefgang und die Wahrscheinlichkeit, dass das Buch Leserinnen und Leser wirklich zum Nachdenken anregen kann. Für mich war das ein bisschen schade, aber ich denke, das ist meinem persönlichen Geschmack geschuldet. Alles in allem fand ich „Tage voller Zorn“ von Tuomas Oskari wirklich sehr gelungen und bin mir sicher, dass es bei einem breiten Publikum Anklang finden wird.
*Erschienen bei Lübbe Belletristik*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 6. Februar 2023