The Atlas Complex

Autorin: Olivie Blake
Übersetzt von: Heide Franck, Alexandra Jordan

Olivie Blake hat mit dem Abschluss ihrer Atlas-Trilogie eine meisterhafte, vielschichtige und fesselnde Geschichte vorgelegt, die in jeder Hinsicht beeindruckt. Schon in den ersten beiden Bänden zeichnete sich die Serie durch ihre komplexen Charaktere, die brillante Weltbildung und die tiefgründige Erkundung von Macht und Moral aus. Doch das Finale setzt all dem die Krone auf und übertrifft die ohnehin hohen Erwartungen, die Fans und Leser hatten.

Zu der Handlung lässt sich sagen, dass sie direkt dort ansetzt, wo der zweite Teil endete, und zieht den Leser sofort wieder in den Bann der sechs auserwählten Magier, die sich in der legendären Bibliothek von Alexandria befinden. Die Spannung ist von Beginn an greifbar, und Blake versteht es meisterhaft, diese auf eine fesselnde Art zu steigern. Jede Seite bringt neue Enthüllungen, unerwartete Wendungen und moralische Dilemmata, die die Charaktere vor große Herausforderungen stellen.

Was Blake besonders gut gelingt, ist die Darstellung der persönlichen Entwicklung der sechs Auserwählten. Jeder von ihnen steht an einem Scheideweg und muss entscheiden, wie weit er bereit ist zu gehen, um seine Ziele zu erreichen. Diese inneren Konflikte werden eindringlich und glaubwürdig dargestellt, sodass man als Leser förmlich mit den Figuren mitfiebert, zweifelt und leidet. Es ist diese Tiefe der Charakterzeichnung, die das Buch so kraftvoll und unvergesslich macht.

Eines der zentralen Themen des Buches ist die Frage nach der Menschlichkeit und der Preis, den man für grenzenlose Macht zu zahlen bereit ist. Blake beleuchtet dieses Thema auf vielschichtige Weise und zwingt sowohl ihre Charaktere als auch ihre Leser, sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen. Die moralischen Grauzonen, in denen sich die Figuren bewegen, werden nicht nur thematisiert, sondern auch intensiv erforscht. Dabei bleibt Blake jedoch niemals moralisierend, sondern lässt den Leser Raum, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Dialoge und inneren Monologe der Figuren sind messerscharf und tiefgründig, was dazu beiträgt, dass man die ethischen und philosophischen Fragen, die das Buch aufwirft, noch lange nach dem Lesen im Kopf behält. Hier zeigt sich Blakes große Stärke: die Fähigkeit, eine faszinierende und zugleich zutiefst nachdenklich machende Geschichte zu erzählen.

Die Bibliothek von Alexandria, die als Hauptschauplatz dient, wird in diesem Finale noch lebendiger und geheimnisvoller dargestellt als in den Vorgängerbänden. Die Beschreibungen der magischen Artefakte, der verborgenen Räume und der uralten Geheimnisse, die in den Regalen schlummern, sind so bildhaft und detailreich, dass man sich förmlich in die Kulisse hineinversetzt fühlt. Gleichzeitig dient die Bibliothek als Metapher für das Wissen und die Macht, die die Auserwählten suchen – und für die Gefahren, die damit einhergehen.

Trotz meiner Begeisterung gibt es jedoch auch einige kleinere Kritikpunkte, die ich anführen möchte. Einer davon betrifft das Tempo der Erzählung. An einigen Stellen wirkt die Handlung leicht überhastet, als ob Blake unbedingt alle offenen Fäden zusammenführen wollte, ohne sich die nötige Zeit für eine tiefergehende Erkundung zu nehmen. Dies führt dazu, dass bestimmte Plotpunkte weniger ausgearbeitet erscheinen, als sie es verdient hätten.

Ein weiterer Punkt betrifft das Ende des Buches. Ohne zu viel zu verraten, hätte ich mir ein etwas weniger abruptes Finale gewünscht. Die letzten Kapitel sind zweifellos packend und schockierend, doch sie lassen auch einige Fragen unbeantwortet, was bei einem Abschluss einer Trilogie etwas unbefriedigend sein kann. Vielleicht war dies eine bewusste Entscheidung der Autorin, um den Lesern Raum für eigene Interpretationen zu lassen, dennoch hätte ein wenig mehr Klarheit nicht geschadet.

Insgesamt hat Olivie Blake mit dem Finale der Atlas-Trilogie ein beeindruckendes Werk geschaffen, das sowohl Fans der Serie als auch Neulinge begeistern wird. Trotz kleinerer Schwächen überzeugt das Buch durch seine vielschichtigen Charaktere, die moralischen Fragestellungen und die packende Handlung. Die Bibliothek von Alexandria als mystischer Schauplatz, die dichte Atmosphäre und die tiefgründige Erkundung von Macht und Menschlichkeit machen diesen Abschluss zu einem unvergesslichen Leseerlebnis. Es ist ein würdiges Finale einer herausragenden Trilogie, das noch lange nachklingt.

Erschienen bei FISCHER Tor

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Autorin / Autor: Esma A. - Stand: 21. August 2024