The School for Good and Evil, Band 1: Es kann nur eine geben

Autor: Soman Chainani
übersetzt von Ilse Rothfuss
ab 12 Jahre

Buchcover

Der Roman „The school for good and evil – Es kann nur eine geben“ von Soman Chainani handelt von Agatha und Sophie, die auf einer Schule voller Märchenfiguren zwischen die Fronten von Richtig und Falsch, Selbstbestimmung und Vorhersehung, sowie Fremd- und Selbstwahrnehmung geraten und dabei einige spannende Abenteuer zu bestehen haben.

Die beiden Mädchen Sophie und Agatha leben in einem kleinen Dorf in Mitten eines Waldes, den keiner von ihnen je verlassen hat. Alle vier Jahre werden aus diesem Dorf Kinder entführt und auf die Schule für Gut und Böse gebracht. Alle Kinder im Dorf haben Angst davor entführt zu werden, nur Sophie freut sich endlich ihr tristes Leben hinter sich zu lassen. Aufgrund ihres Aussehens und ihrer scheinbar guten Taten, ist sie überzeugt davon, dass sie in der Schule des Guten zur Prinzessin ausgebildet werden wird. Eine ihrer scheinbar guten Taten ist ihre Freundin Agatha. Alle sind überzeugt, dass sie für die Schule des Bösen wie geschaffen ist. Die Geschichte beginnt als beide Mädchen tatsächlich ausgewählt werden, aber in die falschen Schulen gesteckt werden. Während Agatha einfach nur wieder mit ihrer Freundin nach Hause möchte, versucht Sophie verzweifelt alle, und ganz besonders den Prinzen Tedros, davon zu überzeugen, dass sie keine Hexe, sondern eine Prinzessin ist. Gemeinsam mit den Kindern der Märchenfiguren müssen die Mädchen ihren Platz in der Schule und im Leben erst noch finden, während im Hintergrund ein tieferer Konflikt zwischen dem Gleichgewicht der Mächte abläuft.

*Meinung*
Ein Roman steht und fällt häufig mit seinen Hauptcharakteren. Chainani gelingt es nicht nur die Figuren dem Leser näher zu bringen, sondern sie auch authentisch und lebensnah zu zeichnen.
Schon gleich zu Beginn der Geschichte wird thematisiert, dass die Eigen – und die Fremdwahrnehmung vollkommen unterschiedlich sein können. Während Sophie sich für eine perfekte Prinzessin hält, wird anhand der guten Taten, die sie aufzählt und auch an ihrem Verhalten anderen gegenüber schnell deutlich, dass ihr Verständnis von Gut und Böse eher rudimentär ist und ihre Handlungen bestenfalls als kindisch zu betrachten sind. Aber gerade das ist es, was sie auch so sympathisch macht. Ein zwölfjähriges Mädchen hat eher selten eine deutliche Vorstellung davon, was gut und was böse ist und handelt nachdem, was ihr vorgelebt wird. Dementsprechend ist es natürlich, dass auch Sophie nach dem Guten strebt ohne genau einschätzen zu können, was das bedeutet und lieber Korsetts als Essen an Waisenkinder verteilt.
Im Laufe der Geschichte entwickelt sich Mitleid mit ihr, der Wunsch, gut zu sein ist da, aber  sie ist, vielleicht auch aufgrund ihrer Bestimmung, unfähig, dies tatsächlich umzusetzen. Denn für sie bedeutet „das Gute“ nur die Erfüllung all ihrer (egoistischen) Träume. So verlässt sie sich lieber auf Täuschung und Betrug anstatt sich selbst anzustrengen. Ihre Charakterentwicklung ist eine der überzeugendsten im gesamten Roman, da sie zunächst den kindischen Versuch unternimmt, ihren wahren Charakter einfach durch ihr Dasein zu beweisen, sich dann bemüht, um schließlich zu betrügen und zu scheitern, was zur Eskalation führt. Absolut verständliche Verhaltensweise bei einem jungen Mädchen, dem der größte Traum genommen wurde.

Agatha wiederrum ist weniger durchsichtig. Sie ist einfach präsent und gewinnt dadurch ihren Charme. Ihre Vorstellungen von Gut und Böse sind alle sehr intuitiv – sie entscheidet sich nicht dafür, Gut zu sein, sie handelt einfach und denkt nicht darüber nach. Was sie so sympathisch macht und somit nicht nur von Sophie abhebt, die sich ständig nur bemüht, sondern auch Hoffnung vermittelt. Der Autor verdeutlicht damit, dass eben nicht nur immer der Wille sondern es auch die Taten sind, die den Unterschied machen. Dennoch ist auch sie stark fremdbestimmt, was aber kritisch aufgegriffen wird. Sie fühlt sich hässlich, weil sie denkt die anderen finden sie hässlich. Dadurch spiegelt sie ihr eigenes Empfinden auf andere, die sie dann wirklich als hässlich empfinden. Und obwohl zwischendurch aus dem hässlichen (bösen) Küken ein schöner Schwan wird, macht der Autor etwas ganz klar: Agatha war niemals von Natur aus hässlich sondern nur weil sie sich so empfunden und gegeben hat.

Anhand dieser beiden Figuren vermittelt der Autor zwei ganz wichtige Botschaften, die in den alten Märchen häufig verloren gehen: 1) Man soll nicht vom Äußeren auf das Innere schließen. Nicht alle gut aussehenden Menschen sind von Natur aus gut und nicht alle hässlichen Menschen sind von Natur aus böse. 2) Man muss sich nicht optisch verändern, um anderen zu gefallen, man muss sich selbst wohlfühlen, damit man akzeptiert wird. Außerdem hadern die Charaktere auch mit denen für sie bestimmten Schicksalen und stellen so nicht nur die eigenen Wünsche in Frage, sondern auch die Vorherbestimmung letztendlich auch die Entscheidungen, die sie treffen. Weitere Dinge, die kritisch aufgegriffen werden, ist die Tatsache, dass die Prinzessinnen zum Nichtstun herangezogen werden und eigentlich nichts Besseres zu tun haben als auf ihren Prinzen zu warten. Auf charmante Weise wird dieses Prinzip gegen Ende umgeworfen.

Chainani aktualisiert Märchen dadurch auf ganz zauberhafte Weise und auch der Plot der Geschichte wird, wenn auch vorhersehbar, auf dies Weise nicht unbedingt klischeebehaftet. Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten und, weil so auch für jüngere Kinder gut verständlich, einfach großartig. Der Roman ist flüssig lesbar und lässt sich nicht mehr aus der Hand legen, wenn man einmal angefangen hat. Besonders spannend finde ich, dass in dem Roman eigentlich die Handlung von drei potenziellen Fortsetzungen gelegt wurde und es dennoch weiter geht. Eine wunderbare Möglichkeit das Leben nach dem „Happily ever after“ zu präsentieren (besonders bei diesem Ende).

Kritisch anzumerken ist lediglich, dass für meinen Geschmack die Nebencharaktere etwas zu kurz gekommen sind. Das alle Schüler Kinder von Märchenfiguren sind, ist eine wunderbare Idee. Aber leider wird selten deutlich gemacht, welches Kind zu welcher Märchenfigur gehört (außer bei Tendros), und insgesamt bleiben alle Figuren eher austauschbar und oberflächlich. Was meiner Meinung nach verschenktes Potenzial ist, aber vermutlich durch die Fokuslegung auf die Hauptcharaktere zurückzuführen ist. Außerdem wird meiner Meinung nach die Freundschaft der beiden Mädchen, die zentral für den Roman ist, nicht glaubwürdig genug beschrieben bzw. nicht stark genug, um das zu rechtfertigen, was aufgrund dieser passiert. Da hätte ich mir etwas mehr Hintergrund gewünscht.
Insgesamt ein wunderschöner Roman mit einigen besonderen Botschaften. Ideal für Kinder und junge Erwachsene, die noch immer gerne in Märchen eintauchen. Eine klare Empfehlung von mir!

*Erschienen bei Ravensburger*

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    Autorin / Autor: ladyjanna - Stand: 12. Oktober 2015