Mit „The Wilderness of Girls“ debütierte Madeline Claire Franklin im Juni 2024 ihre Autorenkarriere, und kein halbes Jahr später erscheint nun im Fischer Sauerländer die deutsche Übersetzung. Direkt vorab: Die Altersempfehlung liegt bei 14 bis 18 Jahren, wobei ich persönlich ein Mindestalter von 18 Jahren ansetzen würde und dazu rate, die Triggerwarnungen zu beachten. Der Roman beschäftigt sich nämlich mit durchaus ernsten Themen, angefangen mit der Suche nach sich selbst, über Verdrängung bis hin zu (sexueller) Gewalt und Suizid. 

Rhi wohnt seit kurzem bei ihrem Onkel Jimmy, weil ihr Vater überraschend verhaftet wurde und ihre Stiefmutter sich aus dem Staub gemacht hat. Doch so recht angekommen ist sie in ihrem neuen Leben noch nicht, umso schöner, dass sie bei Jimmys Arbeit als Ranger aushelfen kann. Bis sie eines Morgens im Wald vier verwilderte Mädchen findet, die von zwei weißen Wölfen begleitet werden. Sie suchen Hilfe, da die Jüngste in ein altes Tellereisen geraten ist. Rhi gewinnt ihr Vertrauen und bringt sie ins Krankenhaus – doch woher stammen die Mädchen? Warum waren sie allein dort draußen? Was soll nun mit ihnen passieren? Während sich die Presse und das Internet direkt auf das Thema stürzt, versucht Rhi den vier Mädchen auf der Suche nach der Wahrheit und der schweren Eingliederung in die Zivilisation zu helfen. Dabei kommt auch das Päckchen, das Rhi zu tragen hat, zu Tage und ihr wird bewusst, dass sie nicht für immer davonlaufen kann.

Eine atemberaubende Geschichte über die Seele des Menschen, die Verbundenheit zur Natur, die stille Kommunikation mit Seelenverwandten und die Suche nach sich selbst. Die Frage, wie viel Wildheit ein jeder Mensch in sich trägt und wie sehr sie durch die heutige Zivilisation eingeschlossen wird, hatte ich vor diesem Buch nicht. Doch ich bin der Autorin sehr dankbar, sie aufgeworfen zu haben. Der Roman beantwortet sie uns nicht, aber er regt uns zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit uns selbst an. Dabei kommt er als Mischung aus Fiktion und Realismus daher, vereint Magie mit natürlichen Erklärungen und lässt den Leser am Ende selbst entscheiden, was er glauben kann und will.
Die rund 450 Seiten vergehen wie im Flug. Dabei wechseln sich normale Kapitel aus der Sicht von Rhi mit E-Mails, Zeitungs- und Onlinenachrichten oder Notizbucheinträgen ab. Dadurch erhält man immer wieder einen guten Blick von außen auf das Geschehen.
Nutzt gern die Chance und schreibt „The Wilderness of Girls“ auf eure Weihnachts-Wunschliste – ich kann es rundum empfehlen, dieses Buch zu lesen.


Erschienen bei Fischer Sauerländer