Tierischer Hilfeschrei
Warum verzerrte Musik uns erschaudern lassen kann
Wenn in Hitchcocks Filmklassiker „Psycho“ während der bekannten Duschmordszene die Geigen in kurzer Tonfolge „aufkreischen“, muss der Zuschauer gar nicht mehr hinschauen, um zu wissen, dass Schreckliches passiert. Warum es manche Musiksequenzen schaffen, dass sich uns die Nackenhaare aufstellen, wollen Daniel Blumstein und Greg Bryant von der University of California in Los Angeles in einer aktuellen Studie herausgefunden haben. Schräg klingende Tonfolgen haben einen ähnlichen Effekt wie Hilfeschreie von Tieren, berichten sie im Fachmagazin „Biology Letters“. Der angsteinflößende Effekt von verzerrten Tönen lässt sich aber abmildern, indem man harmlose Bilder betrachtet, zeigten weitere Experimente.
Für die Studie komponierten die Forscher zunächst mehrere kurze Musikstücke. Manche dieser Sequenzen fingen ruhig an und gingen dann abrupt in verzerrt klingende Tonfolgen über. Andere Sequenzen hingegen waren von Anfang bis Ende ruhiger gehalten und ähnelten Fahrstuhlmusik.
Die unterschiedlichen Musikstücke spielten sie 42 Studenten vor, die diese bewerteten. In der Tat waren es vor allem die abrupten und verzerrten Elemente, die die Studenten wachrüttelten oder bei ihnen gar negative Emotionen wie Angst oder Trauer hervorriefen. Die Forscher glauben, dass verzerrte Töne uns deshalb so mitreißen, weil sie dem Schrei von Tieren in Not ähneln. Wenn sie Gefahr wittern und ihre Artgenossen warnen wollen, geben sie oft ähnliche stoßartige und verzerrte Laute von sich, so die Erklärung von Blumstein und Bryant.
Beim zweiten Experiment legten die Forscher weiteren TeilnehmerInnen die gleichen Musiksequenzen vor. Allerdings gab es diesmal nicht nur etwas zum Hören, sondern auch zum Sehen. Die Studenten sahen sich während der Musikbeschallung Videosequenzen an, die harmlose Szenen aus dem Alltag zeigten, etwa Menschen, die im Café sitzen. Anders als die Gruppe zuvor empfanden die Teilnehmerinnen die abgespielte Musik jetzt nicht mehr als wachrüttelnd oder beängstigend. Lediglich eine traurige Wirkung konnten sie ihr immer noch bescheinigen.
Man muss die Musik immer in ihrem Kontext sehen, sagen die Forscher. Wenn das Gesehene den angsteinflößenden Charakter des Gehörten nicht bestätigt, so mache dies die angsteinflößende Wirkung zunichte.
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 14. Juni 2012