Der Hauptteil des Buchs besteht aus einer Todesliste, die nicht wirklich in einer Rezension beschreibbar ist, die einen Teil der Zahlen von mehr als 35.500 Menschen, die in den letzten 25 Jahren auf der Flucht ums Leben kamen, ein Gesicht gibt und ein menschliches Leben beschreibt.
Auch aus diesem Grund fällt die Kritik, die sich jedoch nur auf die abschließenden Worte von Kristina Milz und Anja Tuckermann, in Hinsicht auf die Frage, ob auch Vergewaltiger und ähnliche Gewalttäter in einem Land aufgenommen werden müssen, bezieht, sehr schwer. Hier ist es wichtig, dass jedes Land das Recht hat, die eigenen Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt zu schützen, wie sie es auch innerhalb des Landes machen und machen sollten. Insbesondere zeigt sich in den Abschlussworten das heute Übliche: den Schutz von Frauen nicht so wichtig nehmen wie den Schutz von Flüchtlingen, was nicht das Ziel der Flüchtlingshilfe sein kann. Dies ist wichtig, da gerade die flüchtenden Frauen oft solcher Gewalt entkommen wollen.
Das Buch ist trotz der Kritik unendlich wertvoll, da es den Zahlen, die wir täglich hören, Gesichter und Namen gibt, Hintergründe und viele politische Artikel zum Thema Flucht enthält. Hier finden sich die unterschiedlichsten Beiträge, von Karl-Heinz Meier-Braun von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen bis hin zu der Schriftstellerin Elisabeth Plessen, Monika Hoenen von Kirche und Asyl, Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung, Angela Hermann vom NS-Dokumentationszentrum München und zusätzlich Artikel von Schülerinnen und Schülern wie Helene Seipelt aus Marburg, genauso wie Husein, Schüler in Europa mit einem Bericht über eine Flucht, die von Waffenhändlern ausgelöst wurde. Dazu tauchen in der Liste immer wieder Berichte über die gestorbenen Menschen auf, die von ihren Träumen und ihrem Leben erzählen, was die Zahlen wieder mehr deutlich werden lässt, dass über 35.500 Menschen mit ihren Geschichten und Träumen und Ideen für immer weg sind.
Um einen Eindruck von der scheinbar endlosen Todesliste, die nicht einmal den Umfang der wirklichen Tode wiedergibt, zu geben, seien hier einige genannt:
Tot aufgefunden: 25.12.18, 1 Junge, Herkunftsland: Afghanistan, Todesursache: blinder Passagier, hatte sich unter einem Lastwagen in Griechenland festgebunden und wurde zerquetscht, als der LKW im Hafen von Ancona von der Fähre fuhr.
Tot aufgefunden: 23.12.18, 12 Menschen, Todesursache: vermisstes Schlauchboot zwischen Tanger und Spanien, trotz wiederholter Alarmrufe wurden die Menschen nicht gerettet.
Tot aufgefunden: 20.12.18, 20 Menschen darunter 2 Babys, 1 Mädchen, Herkunftsland: Algerien, Todesursache: 8 ertrunken, 12 vermisst, nachdem leckes Boot an der algerischen Küste in Brand geraten war, 9 Menschen gerettet.
Tot aufgefunden: 04.12.18, 15 Menschen, Herkunftsland: Subsahara-Afrika, Todesursache: starben an Hunger und Durst auf einem Boot, das 12 Tage vor der Küste Libyens trieb, 10 Menschen gerettet.
Tot aufgefunden: 04.12.18 2 Menschen, Herkunftsland: Mittlerer Osten, Todesursache: erfroren, als die griechischen Behörden sie zwangen, den Evros in eisiger Kälte in die Türkei zu überqueren.
Tot aufgefunden: 24.11.18, 29 Menschen, Herkunftsländer: Kamerun/ Guinea/ Marokko, Todesursache: 20 starben, 9 infolge des Schiffbruchs vor Marokko vermisst, spanische und marokkanische Behörden hatten die Rettung verzögert.
Tot aufgefunden: 22.07.18, 16-jähriges Mädchen, Todesursache: starb im Mittelmeer, nachdem sie aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht mehr als Sexsklavin verwendet werden konnte.
Tot aufgefunden, 02.03.18, Lamine Condeh, 20-jähriger Mann, Herkunftsland: Sierra Leone, Todesursache: starb in Passau (DE) an Leberkrebs, nachdem er monatelang nicht behandelt wurde, wurde zuvor trotz schwerer Erkrankung nach Italien abgeschoben.
Tot aufgefunden: 13.02.18, Ayse Abdulrezzak, 37-jährige Frau, Herkunftsland: Türkei, Todesursache: Lehrerin, die vor Razzien in der Türkei floh, ertrank, nachdem Boot im Fluss Evros auf der türkisch-griechischen Grenze sank.
Tot aufgefunden: 23.11.17, Lula, 28-jährige Frau, Herkunftsland: Eritrea, Todesursache: starb krankheitsbedingt in Libyen, bevor sie ein Boot nach Italien nehmen konnte, nach Vergewaltigung schwanger und hatte eine späte Abtreibung.
Tot aufgefunden: 11.01.17, Lukasz Debowski, 27-jähriger Mann, Herkunftsland: Polen, Todesursache. Suzid im Abschiebegefängnis Morton Hall, eine Freilassung gegen Kaution wegen der Geburt seines Kindes wurde abgelehnt.
Tot aufgefunden: 21.10.16, 17-jähriger Junge, Herkunftsland: Somalia, Todesursache: wurde von Neonazis gezwungen, von einem Turm in Schmölln, Thüringen in den Tod zu springen.
Tot aufgefunden: 29.08.16, Arkadiusz Jóźwik,40-jähriger Mann, Herkunftsland: Polen, auf der Straße von Jugendlichen angegriffen, die hörten, dass er Polnisch sprach, starb im Krankenhaus in Cambridge (GB).
Tot aufgefunden: 12.08.16, Zhang Chaolin, 49-jähriger Mann, Herkunftsland: China, angegriffen von Rassisten auf der Straße im Vorort Aubervilliers bei Paris (FR), starb nach 5 Tagen im Koma.
Tot aufgefunden: 25.07.16, Muhammed Wisam Sankari, Herkunftsland: Syrien, enthauptet in Istanbul, nachdem er entführt und vergewaltigt wurde, weil er homosexuell war.
Tot aufgefunden: 17.07.16, 34 Menschen, darunter 20 Kinder, Herkunftsland: Niger, Todesursache: starben nahe der algerisch-nigerianischen Grenze, nachdem Schlepper sie in der Wüste zurückließen.
Tot aufgefunden: 01.02.16, Ali Fakat, 32-jähriger Mann, Herkunftsland: Somalia, aus Mogadischu, Todesursache: im Schleppergefängnis Umu Arab in Libyen erschossen, "Die Schlepper kamen immer abends, um sich Frauen zu holen. Ali Fakat war der Älteste von uns. Um die Frauen zu beschützen, stellte er sich vor die Tür, damit sie nicht reinkommen, und sagte: Nein! Einer hat ihn erschossen" (Bericht, Husein).
Tot aufgefunden: 08.09.15, Hind Alshekh, 17-jähriges Mädchen, Herkunftsland: Syrien, Todesursache: tot aufgefunden in einem LKW an der österreichisch-deutschen Grenze, Opfer von illegalem Organhandel.
Die ganze Liste mit den grausamsten Todesursachen wie auch Vergewaltigung, Folter unter anderem, erstreckt sich von Seite 122 bis Seite 456 des Buchs. Vielleicht sagt das mehr, als ich jetzt je dazu sagen könnte...
*Erschienen bei Hirnkost*
Autorin / Autor: Sabrina Bowitz - Stand: 1. Oktober 2019