Ungewollt unfair
Kölner Sozialpsycholog_innen erklären, warum wir andere, uns unbekannte Gruppen häufig abwerten
Es ist schon ein seltsames Phänomen: Anstatt neugierig und interessiert aufeinander zuzugehen, spielt sich in Gruppen, die sich nicht kennen häufig folgendes ab: "Wir" - also die Gruppe der man sich selbst zugehörig fühlt - sind gut, die anderen sind böse. Egal ob Fußballverein, Mädchen und Jungen, Schulklasse oder Nation - die eigene Gruppe findet man offenbar immer besser als die andere.
Woran das liegt, erklären uns nun die Kölner Sozialpsycholog_innen des „Social Cognition Center Cologne“ (SOCCO). Sie sind überzeugt davon, dass es am einfachsten ist, wenn wir Gruppen anhand von negativen Merkmalen voneinander unterscheiden, da schlechte Eigenschaften individueller seien als gute. Negative Einstellungen gegenüber Anderen entstehen also als Folge von "unschuldigen" Wahrnehmungsprozessen, so die Wissenschaftler_innen.
Während die meisten bisherigen Erklärungsmodelle davon ausgehen, dass wir bestimmte Motive für eine Ablehnung anderer Gruppen haben, also z.B. das Streben nach einem eigenen Vorteil, sehen die Kölner Forscher_innen die Ursache eher in einem besonderen Effekt der Wahrnehmung: Gruppen definieren sich selber über positive Eigenschaften, andere aber über negative. Der Grund: Während Gruppen sich eher in positiven Eigenschaften wie zum Beispiel "nett, umgänglich, zuverlässig, höflich, hilfsbereit oder fleißig" ähnelten, würden sie sich in den schlechten Eigenschaften eher unterscheiden, weil diese individueller seien. Dies könne man sogar statistisch nachweisen.
Diesen neuen Erklärungsansatz wiesen Dr. Hans Alves, Dr. Alex Koch und Professor Dr. Christian Unkelbach in drei Laborexperimenten nach, in denen Versuchspersonen auf einem virtuellen Planeten "Alien-Gruppen" begegneten und sich einen Eindruck der Gruppen verschaffen sollten. Waren die besonderen (wissenschaftlich ausgedrückt: distinkten) Eigenschaften der Gruppen "schlecht", bewerteten die Versuchspersonen neue Alien-Gruppen als negativer im Vergleich zu schon bekannten Alien-Gruppen.
„Wenn wir also z.B. Migranten begegnen, schauen wir immer auf die Eigenschaften, welche wir von den uns bekannten Gruppen noch nicht kennen. Wir fragen uns: was ist anders an diesen Leuten?“, erklärt Alves. „Das Gleiche tun wir auch, wenn wir z.B. in eine andere Kultur reisen. Zum Beispiel beobachten wir, dass in den USA Menschen dicker sind und mehr Waffen tragen - diese Eigenschaften assoziieren wir dann mit 'Amerikanern' und sie bilden die Grundlage unserer Beurteilung.“
„Das Problem ist, dass wir dadurch die Fremdgruppen ungewollt unfair bewerten“, so Alves. Würde man seine eigenen Gruppen auch nur aufgrund ihrer andersartigen und damit negativeren Eigenschaften bewerten, hätten wir auch ein negativeres Bild von ihnen - was jeder auch selber erleben könne: „Das geschieht zum Beispiel, wenn wir von einer langen Reise nach Hause zurückkehren und auf einmal unsere eigene Kultur durch eine andere Brille sehen und erkennen, was an ihr distinkt ist“, erklärt der Wissenschaftler.
Ihre Erkenntnisse beschreiben die drei Wissenschaftler in ihrem Artikel "A Cognitive-Ecological Model of Intergroup Bias" im Journal „Psychological Science“.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 20. August 2018