Unheilbar krank

Sprachwissenschaftler plädiert für medizinische Sprache in der Klimakommunikation

Wenn in der öffentlichen Debatte über die drohenden Folgen des Klimawandels gesprochen wird, fallen meist Begriffe wie "Globale Erwärmung“, "Treibhauseffekt" oder - wenns etwas dramatischer ausfällt - "Klimakatastrophe". Schaut man sich an, was Länder tun, um die Bedrohung abzuwehren, bekommt man den Eindruck, die Begriffe scheinen nicht sehr effektiv zu sein: "Eines der zentralen Probleme der derzeitigen Klimakommunikation besteht darin, dass sie die Ernsthaftigkeit des Problems nicht zum Ausdruck bringt. Die Sprache selbst stellt ein Hindernis für eine offene gesellschaftliche Debatte und die notwendigen politischen und rechtlichen Regelungen dar", sagt der Neurolinguistiker der Freien Universität Berlin, Dr. Bálint Forgács.

In einer neu erschienenen Studie schlägt er darum eine neue Methode zur Klimakommunikation vor: man solle mehr medizinische Begriffe verwenden, um in öffentlichen Debatten zu produktiveren politischen Lösungen zu kommen.

Die im Fachmagazin „Frontieres in Climate“ erschienenen Studie "A medical language for climate discourse" zeigt, dass die bisherige wissenschaftliche Kommunikation rund um den Klimawandel häufig missverstanden wird oder nicht die nötige Dringlichkeit vermittelt. Dies liegt an der oft beschönigenden, verschleiernden und technisch-jargonhaften Sprache, die von Klimaforschenden häufig verwendet wird. Diese Sprache entspricht zwar den wissenschaftlichen Normen der Zurückhaltung und Bescheidenheit, doch die versteckten Konsequenzen und Folgen erschweren es Nicht-Expert:innen, die Schwere der Klimakrise vollständig zu begreifen.

Klimatische Kipppunkte als "Metastasen“

Zu den wichtigsten Aussagen der Studie gehört, dass die wissenschaftliche Ausdrucksweise und ihre Metaphern mehrdeutig sein können. Diese Mehrdeutigkeit könne jedoch zu Missverständnissen führen, besonders bei nicht-wissenschaftlichem Publikum.

Würden mehr medizinische Begriffe genutzt, könnten Klimafragen in einem Kontext dargestellt werden, der lebensrettende Maßnahmen betont. So schlägt der Forscher vor, klimatische Kipppunkte als "Metastasen“ zu beschreiben, was eine ernstere und dringlichere Reaktion hervorrufen könnte.

Würde man den Sprachgebrauch weg von technischer Forschung hin zu einem medizinischen Kontext bewegen, könnte das laut Forgács dazu beitragen, eine ehrliche Bewertung der notwendigen rechtlichen und regulatorischen Schritte zur Erhaltung der Lebensfähigkeit unseres Planeten zu fördern.

Ein Vergleich mit anderen Risikobereichen zeige darüber hinaus, dass die Umsetzung von wissenschaftlichem Wissen in der Klimapolitik im Verhältnis zu anderen Bereichen mit hohem Risiko, wie der Luftfahrt oder der Medizin, deutlich zurückbleibt. Diese Bereiche regulieren Verantwortung und Sicherheit strenger, was in der Klimapolitik bisher nicht im gleichen Maße der Fall ist.

Der Neurowissenschaftler hebt hervor, dass die aktuelle Klimasprache oft positive Emotionen (z.B. "grün", "öko-freundlich") oder passive Töne (z.B. "Katastrophe", "Krise") verwendet, die die Dringlichkeit der Situation abschwächen. Der Einsatz einer negativeren (z.B. "globale Überhitzung", "globale Verbrennung"), aktiveren (z.B. "Klimazerstörung", "Klimaselbstmord"), und direkteren Sprache (z.B. "Hochofeneffekt") könnte die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger dazu motivieren, effektiver zu handeln.

Ernsthaftigkeit der Klimakrise klarer kommunizieren

„Die Einführung einer medizinischen Sprache in der Klimakommunikation könnte einen Paradigmenwechsel darstellen. Dieser Ansatz könnte helfen, die Ernsthaftigkeit der Klimakrise klarer zu kommunizieren und eine breitere Akzeptanz für notwendige Maßnahmen zu schaffen“, betont Bálint Forgács. Er möchte mit der Studie Forschende, Medienschaffende und Aktivist:innen ermutigen, neue, kraftvolle und emotionale Metaphern zu entwickeln und zu verbreiten, die die Dringlichkeit und die Risiken des Klimawandels prägnant und verständlich darstellen.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 29. Juli 2024