Verbieten oder boykottieren?
Ein Kommentar zur Diskussion um das islamfeindliche Video "Die Unschuld der Muslime“
Der Streit um das Youtube-Video "Die Unschuld der Muslime“ erreicht jetzt auch Deutschland. Das Video, das den islamischen Propheten Mohammed als Mörder, Kinderschänder und Frauenheld verunglimpft, hat in vielen muslimischen Ländern zu hasserfüllten, gewalttätigen und teils tödlichen Angriffen auf westliche Botschaften geführt. Die als rechtsradikal eingestufte Partei "Pro Deutschland" nutzt die weltweit aufgebrachte Stimmung und hat angekündigt, das Video in Berlin öffentlich aufzuführen.
Haben radikale Splittergruppen - islamistische wie rechtsradikale - es wieder einmal geschafft, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Welt in einen Kulturkampf zu zwingen, der eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollte? Wer sind diese Leute, die auf so ekelerregende Weise auf den religiösen Gefühlen von Muslimen herumtrampeln - und wer sind die Leute, die sich davon so sehr blenden lassen, dass sie ihre blinde Wut an allem und jedem herauslassen, was irgendwie westlich ist?
Es sind nicht ganze Gesellschaften, es sind kleine, radikale Gruppen, denen wir nicht die Macht geben sollten, einen weltweiten Kultur- oder Religionskrieg zu initieren. Denn wahr ist doch, dass die Mehrheit der Menschen in arabischen und westlichen Ländern in Frieden und Demokratie leben will und dass die arabischen Bevölkerungen unter großer Anteilnahme aller Demokratien der Welt sich gerade erst von Diktatoren befreit hat oder dabei ist, sich von ihnen zu befreien.
Mitten in diesen Demokratisierungsprozess platzt also nun der Kampf von Provokateuren: auf der einen Seite diejenigen, die islamische Gefühle auf übelste Weise verletzen wollen, auf der anderen Seite diejenigen, die sich provozieren lassen und ihre Wut auf ein Amateurvideo - das übrigens bislang nur im Internet kursierte und von dem man gar nicht weiß, ob es überhaupt als Film in Langfassung vorliegt - an unschuldigen Menschen auslassen. Aus Angst vor einer Eskalation der Gewalt wollen deutsche PolitikerInnen - vor allem von CDU, CSU und FDP nun versuchen durchzusetzen, dass der Film nicht in Deutschland gezeigt werden darf.
Viele OppositionspolitikerInnen sprechen sich gegen ein gesetzliches Vorführverbot aus, weil sie darin eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen, die später auch auf andere religionskritische Werke übergreifen könnte. Sie setzen eher auf basisdemokratischen Widerstand, der sich sich beispielsweise darin äußern könnte, dass KinobesitzerInnen "Pro Deutschland" erst gar keine Vorführmöglichkeiten anbieten.
Zeigen oder verbieten? Ein schwierige Frage. Was sich auch darin zeigt, dass sich selbst die muslimischen Verbände in Deutschland nicht einig sind. Während die Sprecher des Koordinationsrats und des Zentralrats der Muslime in Deutschland sich heute in der Tageszeitung taz für ein Verbot der Vorführung aussprechen, zitiert die taz auch die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, Lamya Kaddor, die die "Forderungen der Verbände nach einem Vorführverbot" für "überzogen" hält. "Diskussionen über Verbote und Sonderegelungen für Muslime würden die bestehende Islamfeindlichkeit in Deutschland schüren", warnt sie in ihrer Stellungnahme.
Bei all der Ratlosigkeit über den Umgang mit diesem eher drittklassigen und wirklich nicht ernstzunehmenden Film, der Wut vieler Muslime und vor allem der hämischen Aktionen von "Pro-Deutschland" sollten wir dennoch nicht in die Falle der Fundamentalisten und Extremisten auf allen Seiten tappen. Anstatt uns vorzeitliche Religions- und Kulturkriege aufschwatzen zu lassen, sollten wir unser Gehör und unser Stimme eher der freiheit- und friedliebenden Mehrheit in allen Ländern schenken, die gemeinsam an den wirklich wichtigen Themen wie zum Beispiel Umwelt, Armut/Reichtum, Welternährung oder Energie der Zukunft arbeiten - religonsübergreifend!
Mehr darüber im Internet. Zum Beispiel hier:
Was denkst du über die Vorfälle?
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 18. September 2012