Vergessen erwünscht!
Studie: Warum es gut ist, sich nicht alles zu merken
Wenn der Haustürschlüssel ständig spurlos verschwunden scheint, obwohl man ihn kurz vorher noch in der Hand hatte, wenn man sich keine Namen merken kann oder den Geburtstag einer guten Freundin vergisst, ist das natürlich ärgerlich. Wer hat sich nicht schon mal ein Supergehirn gewünscht, das sich alles merken kann?! Dabei hat das Vergessen in vielen Fällen sogar etwas Gutes. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Vergessen nicht immer nur eine Schwäche oder Fehlfunktion des Gedächtnisses, sondern manchmal auch ein willentlicher Akt des Gehirns. In einer aktuellen Studie konnte der Psychologe Dr. Simon Hanslmayr, Fellow des Zukunftskollegs der Universität Konstanz, die Steuerungsprozesse des Gehirns nachweisen, mit denen das Gedächtnis willentlich irrelevante Informationen ausblendet und durch neue Informationen ersetzt.
„In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Vergessen eher als ein Nachteil begriffen, eben als eine Beeinträchtigung, wenn das Gedächtnis nicht richtig funktioniert. Tatsächlich ist das Vergessen aber manchmal ein sehr hilfreicher Prozess“, schildert Simon Hanslmayr. Etwa wenn Informationen, die wir uns gemerkt haben, veraltet oder nicht mehr relevant sind, wäre es wenig sinnvoll, diese Erinnerungen mit uns zu tragen: zum Beispiel alte Adressen, vergangene Termine, in manchen Fällen auch psychisch belastende Erinnerungen. „Man muss sich nur vorstellen, wie viel Informationen im Laufe eines Lebens, ja schon im Laufe einer Woche im Gehirn angesammelt werden“, gibt Hanslmayr zu bedenken. Indem das Gehirn in einem willentlichen Prozess veraltete, irrelevante Informationen ausblendet und durch neue ersetzt, kann es Kapazitäten freistellen und dadurch seine Leistungsfähigkeit optimieren. In seiner Studie konnte Hanslmayr nun gemeinsam mit Prof. Dr. Karl-Heinz Bäuml (Universität Regensburg) die neuronalen Prozesse nachweisen, mit denen das Gehirn seine Erinnerungs- und Vergessensleistung reguliert.
In der Studie wurden Versuchspersonen aufgefordert, zuvor eingeprägte Informationen durch neue zu ersetzen, also irrelevante Informationen willentlich zu vergessen und durch aktuellere Inhalte auszutauschen. Per Kernspintomographie und Elektroenzephalografie (EEG) wurden währenddessen die Gehirnprozesse gemessen. Wie Simon Hanslmayr und Karl-Heinz Bäuml beobachteten, steigt beim Akt des Vergessens der Sauerstoffverbrauch im linken präfrontalen Kortex an – einer Gehirnregion, die als Steuerzentrale des Gehirns gilt und eine wichtige Rolle bei der Handlungsregulation, aber auch beim Unterdrücken von Informationen spielt. Zugleich registrierten die Forscher einen Rückgang der Synchronisation elektrischer Signale zwischen Neuronengruppen. Diese Synchronisation von Neuronengruppen bildet im Gehirn die Grundlage, um Informationen zwischen weitverbreiteten Zellverbänden auszutauschen.
Hanslmayr und Bäuml überprüften die auffällige Korrelation zwischen einerseits der erhöhten Aktivität des linken präfrontalen Kortex und andererseits der reduzierten neuronalen Synchronisation. Über eine elektro-magnetische Stimulierung des Präfrontalkortex‘ konnten sie einen direkten Zusammenhang nachweisen: Der Präfrontalkortex reguliert in willentlichen Vergessensprozessen die neuronale Synchronisation des Gehirns herunter, was bei den Versuchspersonen zu einem ausgeprägteren Vergessen führte. Die Forscher konnten somit in dem Zusammenspiel zwischen Präfrontalkortex und neuronaler Synchronisation die grundlegenden Steuerungsprozesse ausfindig machen, mit denen das Gehirn willentliches Vergessen reguliert.
Dir ist das alles zu kompliziert? Dann gönn' deinem Gehirn doch eine Pause und merke dir nur, dass man auch mal vergessen darf - und das vom Gehirn hin und wieder sogar erwünscht ist. Wie war das nochmal mit dem linken präfr... ? Zack, verdrängt ;-).
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 19. November 2012