Vitamin S
Psychologie: Kontakte zu fremden Menschen sind gut fürs Wohlbefinden
Für die meisten Menschen war und ist der schlimmste Stressfaktor in der Pandemie der Mangel an sozialen Kontakten. Dass man die Großeltern nicht besuchen darf, Geburtstage nur in kleinstem Kreis feiern kann und Reisen zu entfernt wohnenden Freund_innen nicht möglich waren, hat viele Menschen sehr belastet.
In der Forschung ist es unumstritten, dass die Qualität der engen Beziehungen unser psychisches Wohlbefinden maßgeblich beeinflusst. Aber hat vielleicht auch der Kontakt mit Fremden positive Auswirkungen darauf? Die kleinen Begegnungen an der Bushaltstelle, das Lächeln eines Supermarktkassierers oder der netten Arzthelferin?
Die Forscher Paul A. M. Van Lange von der Vrije Universiteit Amsterdam und Simon Columbus von der Universität Kopenhagen haben die Corona-Pandemie zum Anlass genommen, die Bedeutung von Kontakt mit Fremden, den sie „Vitamin S“ nennen (für: Vitamin Social Contact), genauer unter die Lupe zu nehmen.
Sie durchforsteten die Literatur zum Thema und identifizierten zunächst einmal drei Gründe, warum Kontakte mit fremden Menschen für uns wichtig sein können. Ihre erste These ist, dass ein solcher Kontakt meist gutartig ist. Fremde Menschen, die sich begegnen, haben zunächst einmal eher übereinstimmende als gegensätzliche Interessen, sind durch Gleichheit an Macht und durch eine mittelmäßige gegenseitige Abhängigkeit geprägt – ganz anders als das in engen Beziehungen mit vertrauten Menschen sein kann.
Ihre zweite These besagt, dass fremde Menschen meist gutartig sind – zumindest wenn ein geringer Interessenkonflikt besteht. In verschiedenen vorausgegangenen Untersuchungen haben verschiedene Szenarien - etwa der Besuch eines Hotelbuffets bis hin zu einer tatsächlichen Naturkatastrophe - gezeigt, dass Menschen eher zu Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und Rücksichtnahme auf andere neigen.
Die dritte These besagt, dass die meisten Interaktionen mit Fremden das Wohlbefinden erhöhen. Den Forschern zufolge erfüllen solche Begegnungen das Bedürfnis nach sozialen Kontakten – unabhängig davon, ob jemand vielleicht nur freundlich ist, um später daraus Vorteile zu ziehen.
Der Mehrwert in solchen Vitamin S-Beziehungen bestehe darin, dass Fremde meist nichts mit dem eigenen sozialen Netz zu tun haben und darum keine privaten oder sensiblen Informationen weitergeben. Außerdem unterscheiden sich Fremde meist von eigenen Freund*innen und Familie, so dass neue Perspektiven und Erfahrungen gewonnen und präsentiert werden können. Nicht zuletzt ergebe sich durch solche Kontakte mit größerer Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen, Ratschläge für berufliche Möglichkeiten zu erhalten oder das eigene soziale Netzwerk zu erweitern.
Die Studie ist im Fachjournal Psychological Science erschienen.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 15. Juli 2021