Weiß auf schwarz?

Forschung: Kann man mit einem umgekehrten Textkontrast Kurzsichtigkeit vorbeugen?

Immer mehr Menschen werden kurzsichtig, weil sie immer besser ausgebildet werden. Das klingt verrückt, aber tatsächlich hängt die zunehmende Kurzsichtigkeit (Myopie) stark mit der Länge der Schul- und Berufsausbildung zusammen. Warum nun aber die Augen von Schule und Ausbildung so stark in Mitleidenschaft gezogen werden, ist noch unklar, aber ein dringender Verdächtiger ist das Lesen.  Wissenschaftler_innen des Forschungsinstituts für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen haben nun herausgefunden, warum Lesen kurzsichtig macht und vor allen Dingen, wie man dem auf einfache Weise entgegenwirken könnte.

Anders als eine Digitalkamera, die jeden Pixel ausliest, misst die Netzhaut hauptsächlich Unterschiede zwischen benachbarten „Pixeln“, den Photorezeptoren.
Dies wird erreicht, indem Zellen die Helligkeit in der Mitte und am Rand ihres lichtempfindlichen Bereiches vergleichen, und nur den Unterschied an das Gehirn weiterleiten. Die Sehinformation wird also massiv reduziert, was notwendig ist, da die Netzhaut zwar über rund 125 Millionen „Pixel“ verfügt, der Sehnerv aber nur über etwa eine Million „Kabel“. Der Sehnerv ist also der Flaschenhals der Informationsübertragung.

*Reizung von OFF-Zellen regt das Augenwachstum an*
In der Netzhaut gibt es Zellen, die bewerten, ob in ihrem lichtempfindlichen Bereich die Mitte heller und die Umgebung dunkler ist (ON-Zellen). Andere wiederum bewerten, ob die Mitte dunkler, und die Umgebung heller ist (OFF-Zellen). Während unserer normalen Seherfahrung werden beide Typen ähnlich stark gereizt. Nicht aber beim Lesen von Text.
Ein dunkler Text auf hellem Hintergrund reizt hauptsächlich die OFF-Zellen. Man weiß aus früheren Untersuchungen mit Hühnern und Mäusen, dass zumindest bei diesen Tieren die Reizung der OFF-Zellen das Augenwachstum anregen kann und das hat Folgen, denn wird das Auge zu lang, wird man kurzsichtig. Heller Text auf schwarzem Hintergrund hingegen reizt hautsächlich die ON-Zellen, was tendenziell das Augenwachstum hemmt.

*Lässt dunkler Text auf weißem Grund das Auge wachsen?*
Ob dieser Mechanismus wirklich auch beim Menschen zum Tragen kommt, haben die Wissenschaftler_innen anhand von Messungen der sogenannten Aderhaut (die Schicht hinter der Netzhaut) überprüft. Veränderungen der Aderhaut können nämlich Auskunft darüber geben, ob das Auge wächst und eine Kurzsichtigkeit droht oder nicht. Ist sie dünn, steht Wachstum an, ist sie dick, wächst das Auge eher nicht und Kurzsichtigkeit ist unwahrscheinlich. Im Experiment mit Testpersonen konnten die Wissenschaftler_innen nun zeigen, dass schon nach 30-minütigem Lesen von weißem Text auf schwarzem Untergrund eine Verdünnung der Aderhaut messbar war, während beim Lesen von schwarzem Text auf weißem Hintergrund eine Verdickung festgestellt werden konnte.

*Einfache Maßnahme gegen Kurzsichtigkeit*
Die Forscher_innen vermuten darum, dass schwarzer Text auf hellem Hintergrund die Entwicklung von Kurzsichtigkeit fördert und heller Text auf dunklem Hintergrund sie hemmt. Den Textkontrast umzukehren, wäre deshalb eine einfach umzusetzende Maßnahme, die Myopieentwicklung aufzuhalten, denn immer mehr Zeit wird beim Arbeiten und Lesen an Computerbildschirmen und Tablets verbracht.
Bevor nun aber Verlage ihre Bücher schwarz mit weißer Schrift gestalten, und Webseiten und Apps den Kontrast umkehren, muss vielleicht noch genauer untersucht werden, ob das wirklich die gewünschten Resultate bringt. Wenn es wirklich so einfach sein sollte, dann wäre das natürlich eine kleine Sensation.

Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Scientific Reports Nature publiziert.

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 24. Juli 2018