In England fühlten sich offenbar weniger Schüler_innen gestresst während der Schulschließungen
Während hierzulande viele Forscher_innen davor warnten, dass die Schulschließungen aufgrund von Corona desatröse Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Schüler_innen haben werden, kommt eine aktuelle Studie der englischen Universität Bristol zu einem anderen Ergebnis: Laut ihrer Umfrage unter mehr als 1000 Neuntklässler_innen hatte der Lockdown bei den Befragten dazu geführt, dass ihre Ängstlichkeit zurückging und sie sich sogar mehr mit der Schule verbunden gefühlt hatten als ein halbes Jahr zuvor.
*Die Ergebnisse im Einzelnen*
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der 13- bis 14-jährigen Mädchen, die im vergangenen Oktober befragt wurden, zeigten sich angstgefährdet, im Vergleich zu etwa einem Viertel (26 Prozent) der gleichaltrigen Jungen. Bei einer erneuten Befragung im Mai, während der Pandemie, die zur Schließung von Schulen zwang sanken die Zahlen bei den Mädchen um fast 10 Prozent auf weniger als die Hälfte (45 Prozent) und bei den Jungen auf weniger als jeden fünften (18 Prozent).
Zwar sei bei einigen Teilnehmer_innen auch ein Anstieg des Angstniveaus festgestellt worden, aber es war überraschend für die Wissenschaftler_innen zu entdecken, dass bei vielen von ihnen genau das Gegenteil der Fall war. Besonders interessant war, dass jene Schüler_innen, die sich vor der Schulschließung am wenigsten mit der Schule verbunden fühlten, einen stärkeren Rückgang der Ängste verzeichneten. Das werfe aber die Frage darüber auf, wie das schulische Umfeld das psychische Wohlbefinden einiger jüngerer Teenager beeinflusst, erklärt die Hauptautorin Emily Widnall von der medizinischen Fakultät der Universität von Bristol.
Auch die Depressionskurven seien im Laufe der Zeit ziemlich konstant geblieben, wobei die Zahl der Jungen mit Depressionsrisiko um 2 Prozent abnahm und die der Mädchen mit Depressionsrisiko um 3 Prozent zunahm. Ein Zeichen dafür, wie widerstandsfähig junge Menschen seien und wie gut sie darin sind, sich an herausfordernde Situationen anzupassen, so Widnall.
Sogar das Wohlbefinden vieler der befragten Schüler_innen habe sich während der Schulschließung offenbar verbessert, wobei das bei Jungen eher zu beobachten war als bei Mädchen. Diejenigen die sich vor der Pandemie am unwohlsten gefühlt hatten, profitierten dabei am meisten, denn ihre Werte stiegen um 14 Prozent, während bei denjenigen mit durchschnittlichem bis überdurchschnittlichem Wohlbefinden kein Anstieg zu verzeichnen war.
"Die Umfrage gibt einen einzigartigen Einblick in die Frage, wie viele jüngere Teenager sich in ihrem Leben ohne den alltäglichen Druck des Schullebens, zum Beispiel durch akademische Leistungen und herausfordernde Beziehungen zu Gleichaltrigen, fühlen", sagte Widnall.
*Stärkere Verbundenheit*
Obwohl sie die Schule nicht besuchten, berichteten sowohl Jungen als auch Mädchen von einer stärkeren Verbundenheit mit der Schule während des Lockdowns, besonders dann, wenn sie die Möglichkeit hatten, mit ihren Lehrern sprechen zu können. Eine mögliche Erklärung dafür könnte in den neuen Wegen liegen, die Lehrkräfte nutzten, um mit den Schüler_innen digital in Kontakt zu treten. "Mit solchen Plattformen sind die jungen Leute natürlich bereits sehr vertraut", so Widnall.
*Soziale Medien im Lockdown*
Die Umfrageergebnisse bestätigen, dass eine verringerte Angst und ein verbessertes Wohlbefinden mit einer deutlich stärkeren Nutzung der sozialen Medien unter Mädchen zusammenfielen. Mehr als die Hälfte der Mädchen (55 Prozent) hatte angegeben, während der Schulschließungen täglich mehr als drei Stunden in sozialen Medien zu verbringen. Babei nutzten sie soziale Medien in dieser Zeit häufiger als Lernmittel, anstatt nur zu surfen oder zu chatten.
"Dies stellt die allgemeine Auffassung in Frage, dass soziale Medien einen schädlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit junger Menschen haben. Die Statistiken für Mädchen im Rahmen dieser Umfrage deuten darauf hin, dass diese Kanäle eine wichtige Rolle dabei spielen können, Teenagern zu helfen, Bindungen zu knüpfen, sich mehr verbunden und in Kontakt zu fühlen, insbesondere während einer Zeit der physischen Isolation", sagte Widnall.
Dr. Judi Kidger, leitende Autorin und Dozentin für öffentliche Gesundheit an der Universität Bristol, schlussfolgert: "Unsere Studie wirft die Frage auf, welche Rolle das schulische Umfeld beim Anstiegs der psychischen Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen in den letzten Jahren spielt. Bei der Wiedereröffnung von Schulen müssen wir überlegen, wie Schulen dazu beitragen können, dass die seelische Gesundheit aller Schüler_innen mehr unterstützt wird.“
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. August 2020