Wer macht eigentlich unsere Filme?

Studie deckt auf: Die Filmbranche ist offenbar immer noch ein Männerclub

Frauen hinter der Kamera

Wir alle lieben es uns durch Kinofilme oder Fernsehserien unterhalten zu lassen. Aber wer schreibt all die Geschichten, steht hinter der Kamera und führt Regie? Sind Männer und Frauen in der deutschen Filmbranche gleichberechtigt? Konkrete Antworten und Zahlen darauf liefern jetzt zwei Studien der Filmförderungsanstalt (FFA) und der öffentlichen-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF. 

*Männer in Schlüsselpositionen*
Es mag nicht verwundern, dass - wie in anderen Medienbranchen auch - in den meisten kreativen Schlüsselpositionen der Filmproduktionen mehr Männer als Frauen arbeiten: 72 Prozent der Kinofilme werden von Regisseuren, 23 Prozent von Regisseurinnen und 5 Prozent von gemischten Teams inszeniert. Auch Drehbücher haben zu 60 Prozent männliche Autoren; nur 23 Prozent werden von Frauen verfasst und 16 Prozent von gemischten Teams. Schaut man sich den Bereich Produktion an, so sind auch hier die Männer mit 58 Prozent in der Mehrheit, nur 14 Prozent der Filme werden von Frauen und 28 Prozent von gemischten Teams hergestellt. Der einzige Bereich, in dem Männer unterrepräsentiert sind, ist alles rund um das Kostüm, hier arbeiten 86 Prozent Frauen.
Dabei beträgt der Frauenanteil an Filmhochschulen durchschnittlich immerhin 40 Prozent. Aber nur 23 Prozent der Absolventinnen im Bereich Regie und Drehbuch arbeiten später aktiv in der Kinobranche.

*Risikogeschäft*
Den Grund dafür sehen die Studienautor_innen in den speziellen Herausforderungen, die in der Branche liegen. Filmschaffende haben oft prekäre Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise eine unsichere Auftragslage. Hinzu komme, dass Kinofilmproduktion ein „Risikogeschäft“ sei, das mit hohen finanziellen Risiken, einer langen Realisierungsdauer sowie mit diversen Unwägbarkeiten verbunden ist. Um diese Risiken zu vermeiden, greife man lieber auf bewährte Netzwerke zurück. Dies schlägt sich dann in der Bewertung von Filmideen, der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten, aber auch in der Auswahl und Besetzung der Schlüsselpositionen nieder. "Die Risikoaversion der Filmindustrie wirkt sich für Frauen besonders negativ aus, da durch stereotype Zuschreibungen von Fähigkeiten und Charaktereigenschaften Erfolg eher mit Männern als mit Frauen assoziiert wird und Frauen per se als größeres Risiko gelten" heißt es in der Studie.

*Vereinbarkeit von Beruf und Familie*
In einem solchen Beruf ist natürlich auch das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwer zu realisieren. Komprimierte, hohe Arbeitsbelastungen und längere Abwesenheitszeiten von zuhause sind zwar sowohl für Frauen als auch für Männer, die sich um die Familie kümmern, ein Hemmnis, aber Frauen werden dadurch aufgrund des Rollenverständnisses immer noch am ehesten benachteiligt. Berufliche Auszeiten haben offenbar in dieser Branche einen noch negativeren Effekt auf die Karriere als in anderen Branchen, da die anderen Kolleg_innen sich während der Auszeit profilieren könnten.

*Stereotype*
Sowohl Männer als auch Frauen sehen sich in der Filmbranche mit Stereotypisierungen konfrontiert. So werde Frauen beispielsweise das nötige Durchhaltevermögen und die Durchsetzungskraft für Filmprojekte weniger zugetraut. Deshalb bleiben ihnen Führungspositionen oft verwehrt. Männer hingegen werden eher mit erfolgsrelevanten Attributen in Verbindung gebracht wie Durchsetzungsstärke, gute Selbstdarstellung oder die Fähigkeit zum Netzwerken.

*Irritierend*
Interessant ist auch, dass Frauen in der Branche berichten, entweder als zu weiblich oder zu männlich wahrgenommen zu werden. Viele befragte Frauen äußerten das Gefühl, es gäbe für Frauen kein „richtiges“ Auftreten, sie können es trotz starker Bemühungen nicht richtig machen. Durch die Tatsache, dass Entscheidungsfunktionen überwiegend männlich besetzt sind, würden sie auch oft zu spüren bekommen, dass sie als Frau eine irritierende Wirkung haben, wenn sie erfolgreich sind bzw. nicht den gängigen Zuschreibungen entsprechen.

*Lösungsvorschläge*
Um diese Verhältnisse zu ändern, schlagen die Studien vor, Stereotype aufzudecken und bewusst zu machen. Das gelte für Entscheidungen bezüglich der Zusammensetzung des kreativen Teams, Entscheidungen über Förderungen von Filmprojekten sowie auch für Besetzungsentscheidungen.
Dabei könnten Sensibilisierungstrainings für Entscheidungsbefugte und Auswahlgremien hilfreich sein. Ein Booklet unter einem Titel wie „Vielfältige Gesichter der Regie“, in dem weiblich und männliche Regisseur_innen in einem gleichberechtigten Verhältnis mit Foto und Steckbrief abgebildet sind, würde auch erfolgreichen Frauen in der Regie ein Gesicht geben, damit sie nicht länger als Ausnahme von der Regel definiert werden, so der Vorschlag. Als direkte Maßnahme für die Regie empfehlen die Studienautor_innen ein Internetportal aufzusetzen, in dem sich Regisseurinnen präsentieren können, sodass sie gezielt gesucht werden können.

*Übersehen*
„Die Fakten liegen nun vor“, so Christine Berg, stellvertretender FFA-Vorstand und Leiterin der Förderbereiche. „Es gibt ein weibliches Potential in unserer Filmbranche, das nicht genug gesehen, gefördert und gefordert wird. Diesen Schatz müssen wir heben, um die Qualität des deutschen Films weiter zu stärken. Nur so ist Kino ein wahrer Spiegel unserer Gesellschaft.“

Die FFA-Studie „Gender und Film – Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland“ wurde vom Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Elizabeth Prommer erarbeitet. Die Ergebnisse der Studien ‚Gender und Film‘ sowie ‚Gender und Fernsehen‘ wurden der Öffentlichkeit anlässlich der Berlinale vorgestellt.

Lest die Studie im Wortlaut

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 20. Februar 2017