Wer, wenn nicht wir
Autorin: Alicia Zett
„Leo ist die Liebe meines Lebens und wird es auch immer bleiben“. Genau das dachte Lena viele Jahre, seitdem sie zu Schulzeiten mit dem gleichaltrigen Leo zusammenkam. Aber diese Beziehung bedeutete für Lena auch immer Kompromisse einzugehen. So geht es für die junge Frau, der das Fotografieren und Bloggen viel bedeutet, nicht in die große weite Welt, sondern nur ein paar Straßen von zuhause weg zu Leo, wo die beiden seit dem Abitur zusammenleben. Seitdem gibt es die beiden immer nur im Doppelpack, sodass Lena sich ab und an fragt, wo sie stände, wenn sie ihre eigenen Träume verfolgt hätte und wer sie eigentlich ohne Leo und seinen Beschützerinstinkt wäre. Richtig Trubel in Lenas Gedanken bringt ihre ehemalige beste Freundin Kate, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Ausgerechnet Lena soll dem Model Kate jetzt helfen und sie als Fotografin auf eine wochenlange Reise rund um die Welt begleiten. Lena sagt dem Abenteuer nach einigen Zweifeln zu und schon bald weiß sie gar nicht mehr, wo ihr Kopf steht: Möchte sie als Fotografin international tätig sein? Was außer dem Alltagstrott verbindet sie und Leo eigentlich noch? Ist zwischen ihr und Kate tatsächlich wieder Freundschaft? Und was bedeutetet dieses plötzliche Bauchkribbeln eigentlich, was sie empfindet, wenn Kate sie berührt?
Mit all diesen Fragen beschäftigt sich „Wer wenn nicht wir“ als Auftakt einer Dilogie der deutschen Bestseller-Autorin Alica Zett. Das Cover zeigt die drei Protagonist:innen in besonderer Farbgebung, unterschiedlich zu anderen Young-Adult-Büchern, die sonst eher schlicht und ästhetisch gestaltet sind. Diese Covergestaltung mit abgebildeten Menschen muss man als Leser:in mögen. Mir persönlich hat das Cover nicht ganz so gut gefallen, da man so vor Beginn des Lesens schon ein recht festes Bild über das Aussehen der Hauptcharaktere im Kopf hat und die eigene Fantasiefreiheit so etwas eingeschränkt ist. Die Playlist am Anfang des Buches mit ganz verschiedenen Titeln hat mir dagegen sehr gut gefallen, da auch einige Musikstücke dabei waren, die man noch nicht kennt und auch viele deutsche Songs dabei sind. Dass die Protagonistin Lena zu einigen der Songs ein besonderes Verhältnis hat, macht die Playlist noch besonderer.
Die verschiedenen Perspektiven machen die Geschichte sehr lebendig und vielfältig. Persönlich hätte ich mir aber an der einen oder anderen Stelle statt einem Perspektivwechsel oder einem Blogeintrag lieber einen Monolog oder einen lebhaften Dialog gewünscht. Sehr gut gefallen an der Geschichte von Lena, Leo und Kate hat mir, dass die Protagonist:innen nicht ganz so jung, sondern schon Anfang 20 und daher etwas selbstbewusster und reflektierter sind und der Geschichte so eine besondere Ausstrahlung geben. Alle auftretenden Personen haben einen individuellen Charakter und im Verlauf der Geschichte wird deutlich, wie wichtig es ist, dass man auch aufeinander zugeht und anderen von seinen Ängsten und Wünschen erzählt.
Das gesellschaftlich relevante Thema Bisexualität wird in „Wer wenn nicht wir“ emotional und facettenreich aufbereitet. Die 416 Seiten sind sehr kurzweilig. Der Roman hat eine angenehme Kapitellänge, wobei die einzelnen Kapitel sehr passende und auch amüsante Titel haben, was den Aufbau des Buchs ein wenig von anderen Romanen abhebt.
Am Ende des Romans hat Lena immer noch nicht vollends herausgefunden, wer sie ist und was sie möchte, weshalb vieles offen bleibt und es im zweiten Teil der Reihe, der im Februar erscheint, spannend und emotional weitergeht. Wer erfahren möchte, was in der Nacht des Abiballs eigentlich zwischen Lena und Kate passiert ist, muss sich also noch ein wenig gedulden.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Roman sich von anderen Young-Adult-Büchern durch seine starken Protagonist:innen und die außergewöhnliche Storyline abhebt und dabei sowohl gesellschaftlich relevante Themen behandelt als auch einige Überraschungen bereithält. Leser:innen sollten auch beachten, dass „Wer wenn nicht wir“ nicht immer eine leichte Lektüre ist, denn das behandelte Gefühlschaos ist teils sehr aufwühlend. Dieser Erzählstrang regt aber auch dazu an, sich mit seinen eigenen Gefühlen und Wünschen auseinanderzusetzen, was zugleich ermöglicht, das Erlebte der Protagonist:innen sehr intensiv nach zu empfinden.
Erschienen bei Knaur
Autorin / Autor: Leonie - Stand: 25. November 2024