Wo die Sterne uns sehen
Autorin: Justine Pust
Den Sternenhimmel ansehen und sich für einige Momente frei fühlen. Das braucht die Studentin Willa, um ihr inneres Gleichgewicht zu behalten, denn in ihrem Leben geht es drunter und drüber. Mühevoll hat sie sich jahrelang ein Kartenhaus um sich herum aufgebaut, doch als der besserwisserische und gut aussehende Elias in ihr Leben tritt, droht ihr ganzes Leben zu zerfallen …
So beginnt die Handlung des Romans „Wo die Sterne uns sehen“ der deutschen Autorin Justine Pust. Die Geschichte von Willa und Elias ist sehr emotional und wunderschön romantisch, allerdings sollte man sich als Leser:in von Anfang an bewusst sein, dass physische und psychische Erkrankungen zentrale Bestandteile der Geschichte sind und die Lesenden potenziell triggern könnten. Der Roman besticht durch ein außergewöhnliches Cover, welches an einen Sternenhimmel erinnert. Zudem ist die Länge mit knapp 400 Seiten ideal gewählt, sodass die Handlung weder träge noch zu schnell vorbei ist. Viele Fragen, die beim Lesen der ersten Seiten auftauchen, bleiben allerdings bis zur letzten Seite ungeklärt, sodass man mit Spannung über die Seiten liest, um zu erfahren, wie die Geschichte von Willa und Elias weitergeht und was die beiden in ihrer Kindheit und Jugend alles erlebt haben.
Besonders schön finde ich, dass in diesem Roman Menschen mit Behinderungen als Protagonist:innen auftreten, ohne dass sich die ganze Handlung darum dreht oder sie mit extremer Diskriminierung umgehen müssen. Weiterhin weisen die Hauptcharaktere sehr interessante Charakterzüge auf, bleiben aber gleichzeitig dadurch, dass man wenig von ihren Hintergründen erfährt, fortlaufend geheimnisvoll und undurchsichtig. Wenn man gerne Bücher liest, in der man sich als Leser:in total selbst mit den Protagonist:innen identifizieren kann, ist „Wo die Sterne uns sehen“ daher vielleicht nicht die beste Wahl. Auch allen, die sich nicht sonderlich für Astronomie und Astrologie halten, würde ich das Buch nicht empfehlen. Aufgrund der anspruchsvollen Themen und Details zu gesundheitlichen Problemen, die ungeschönt beschrieben werden, würde ich das Buch erst für Leser:innen ab etwa 16 Jahren empfehlen. Man muss sich durchaus auf das Buch einlassen und es braucht definitiv ein paar Seiten, um mit den Charakteren und der Geschichte „warm zu werden“. Aber gerade, dass die Charaktere nicht nur freundlich und nahbar sind, macht die Geschichte lesenswert und individuell.
Toll finde ich weiterhin, dass die Protagonist:innen keine klassische „Enemies to Lovers“-Trope durchlaufen, sondern eine eigene Liebesgeschichte und Annäherung erhalten, auch wenn sie sich zu Beginn der Handlung nicht besonders mögen. Außergewöhnlich ist auch, dass die Geschichte von Willa und Elias nicht in New York oder Berlin spielt, sondern in Frankfurt am Main, was der Geschichte durch den Charakter der Stadt noch eine besondere Atmosphäre verleiht. Die wechselnden Erzählperspektiven der beiden Protagonist:innen sind meiner Meinung nach sehr gelungen, ohne dass die Erzählstränge verwirrend oder wiederholend werden. Auch das Verhältnis von Erzählung, Rückblenden und Dialogen ist schlüssig und angenehm. Allerdings sind mir die Ausschweifungen von Elias an der ein oder anderen Stelle etwas zu philosophisch, während die Emotionen und Taten der beiden in diesen Szenen etwas zu kurz kommen.
Insgesamt ist „Wo die Sterne uns sehen“ ein sehr vielfältiger und emotionaler Roman, bei dem man als Leser:in auch gerne mal eine Träne vergisst und der gleichzeitig auf Themen in den Bereichen Studium und Gesundheit aufmerksam macht, die vielen Menschen nicht bewusst sind. Angereichert wird die Geschichte dabei mit viel Romantik und Poesie. Um aufzuzeigen, wie Elias sagt, dass manche Menschen wie Sterne in der Nacht sind, die ihr eigenes Licht nicht sehen können und die darum Menschen brauchen, die ihnen sagen, dass ihr Licht noch scheint.
Erschienen bei KNAUR
Autorin / Autor: Larissa M. - Stand: 13. Februar 2024