Wo kommst du wirklich her?
Studie: Besonders Kinder und Jugendliche mit dunklerer Hautfarbe erfahren häufig Alltagsrassismus
Deutschland ist ein multikulturelles Land: Fast zwei von fünf Kindern und Jugendlichen in Deutschland kommen aus einer Familie mit Migrationsgeschichte, und 70 Prozent von ihnen haben einen deutschen Pass. Trotzdem würden sich nur 37 Prozent von ihnen selbst als „Deutsche“ bezeichnen. Der Grund: Heranwachsende mit Zuwanderungsgeschichte, besonders jene mit einer dunklen Hautfarbe, erfahren Alltagsrassismus. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigt eine neue Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). Das Institut befragte 1.461 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 19 Jahren zu ihren Erfahrungen mit Alltagsrassismus und führte 22 Fallstudien durch, in denen Kinder zwischen acht und 12 Jahren von ihren Erfahrungen und ihrem Erleben von Alltagsrassismus erzählten. Das erschreckende Ergebnis: Insgesamt haben sieben von zehn Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte Alltagsrassismus erfahren. Und je dunkler die Hautfarbe, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, von Alltagsrassismus betroffen zu sein. Fast alle der befragten 6- bis 19-Jährigen mit dunklerer und dunkler Hautfarbe sind mit Formen von Alltagsrassismus konfrontiert.
„Wo kommst du wirklich her?“
Es ist eine scheinbar ganz harmlose Frage, die oftmals aus Neugier oder beim Smalltalk gestellt wird. Aber: So harmlos die Frage auch gemeint sein mag, unterschwellig beinhaltet sie doch: „Du bist anders“ und „Du kannst nicht von hier kommen“. Die Forschung bezeichnet dies als „Mikroaggressionen“, durch die Kinder und Erwachsene immer wieder – oft unbewusst – ausgegrenzt werden. Mehr als sieben von zehn Heranwachsenden mit dunkler Hautfarbe bekommen diese Frage immer wieder gestellt, wobei die Antworten „Aus Bayern“ oder „Aus Berlin“ nicht akzeptiert werden. Neun von zehn Kindern und Jugendlichen mit dunkler Hautfarbe empfinden z. B. die Frage, ob sie schon immer in Deutschland lebten bzw. wo sie wirklich herkämen, als sehr negativ und ausgrenzend.
„Du kannst aber gut Deutsch sprechen! “
Während eine solche Frage bei der Mehrheit der weißen Kinder und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte als Kompliment ankommt, empfinden acht von zehn Heranwachsenden mit dunkler Hautfarbe diese Aussage als negativ. Besonders dann, wenn Kinder und Jugendliche in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und Deutsch ihre Muttersprache ist, wird diese unreflektierte Aussage von Lehrkräften als verletzend empfunden.
„Du bist hässlich!“
Noch beleidigender wird es, wenn Kindern mit dunklerer Hautfarbe gesagt wird, sie seien hässlich. Fast sieben von zehn Befragten haben schon diese zutiefst verletzende Erfahrung gemacht - meist aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Haare. Klar, auch Kinder ohne Zuwanderungsgeschichte haben solche Sätze schon gehört, aber von ihnen sind es nur 23 Prozent. Mehr als neun von zehn Jugendlichen mit sehr dunkler Hautfarbe fühlen sich als fremd wahrgenommen.
„Du gehörst nicht zu Deutschland..."
"Geh zurück in dein Land. Geh sterben.“ Das sagte ein älterer Schüler zu Aabid aus Syrien, als der heutige Neunjährige in der ersten Klasse war. Solche Äußerungen, dass die Kinder und Jugendlichen in das Land zurückgehen sollten, aus dem sie gekommen sind, stellen die häufigste Form von Beschimpfung dar. Die zweithäufigste Form sind Beleidigungen in Bezug auf eine türkische Zuwanderungsgeschichte, gefolgt von allgemeinen Beschimpfungen als „Ausländer“. Sieben von zehn solcher offenkundigen Beleidigungen kommen von anderen Kindern und Jugendlichen. Subtilere Formen von Alltagsrassismus kommen aber unter anderem von Lehrkräften, was einmal mehr als verletzende Abwertung empfunden wird.
Jungen mit Zuwanderungsgeschichte sind von Alltagsrassismus etwas häufiger betroffen als Mädchen
Es bleibt aber häufig nicht nur bei verbalen Verletzungen, sondern es kommt auch zu körperlichen Angriffen. Jungen mit Zuwanderungsgeschichte erfahren das fast doppelt so häufig wie Mädchen. Auch Beschimpfungen, Witze oder Vorurteile aufgrund ihrer Herkunft erleben Jungen häufiger als Mädchen. Mädchen werden dagegen häufiger als Jungen gefragt, ob ihre Haare angefasst werden dürften, was alle (!) Befragten mit dunkler Hautfarbe als unangenehm empfinden.
„Um der real existierenden Vielfalt in Deutschland gerecht zu werden, braucht es hier dringend fundierte Schulung von Lehrkräften und pädagogische Einheiten im Kontext von Schule und Freizeit“, so Studienleiterin Dr. Maya Götz.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung