Es ist der Tag, der der Schönste in ihrem Leben werden sollte: Hadia wird heiraten. Und nicht irgendjemanden, sondern Tarik, einen Mann, den sie sich selbst ausgesucht hat. Da ihre Familie streng gläubig ist und ihr gesamtes Leben nach den Regeln des muslimischen Glaubens ausrichtet, ist dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Dass ihre Eltern der Verbindung trotzdem zugestimmt haben und ein rauschendes Fest für die beiden ausrichten, ist deshalb eine besondere Geste für Hadia. Als indische Migranten in den USA hatte es die Familie nicht immer leicht, doch an diesem Tag wollen sie sich auf das Positive konzentrieren: Die ältere Tochter Hadia heiratet, und auch das Leben der jüngeren Tochter Huda läuft in geregelten Bahnen. Doch es gibt einen Schatten, der unweigerlich über dem Fest liegt: Denn Hadia hat auch einen jüngeren Bruder, Amar, der die Familie allerdings vor Jahren verlassen hat. Man spricht davon, dass er weg gelaufen ist, mit der Familie und dem Glauben gebrochen hat – Hadia hat ihn zwar zu ihrer Hochzeit eingeladen, doch wer weiß ob er tatsächlich kommen wird, und was dann geschehen könnte. Um die Gefühlslage der einzelnen Familienmitglieder an diesem Hochzeitstag besser verstehen zu können, nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise in die Vergangenheit der Familie, in die Kindheit von Hadia, Huda und Amar. Dabei zeichnet sie ein Bild aus tiefer Bindung, Glaube, Kälte und Verletzlichkeit, aus Geheimnissen und Verrat, aus Liebe und Gottesfurcht, das sie Leinwand bildet, vor der sich die Ereignisse von Hadias Hochzeitstag entfalten.
Die Familiengeschichte, die die Autorin erzählt, erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte. Als Leser_innen erfahren wir, wie die Ehe der Eltern, Laila und Rafik, arrangiert wurde, wie die beiden sich ein neues Leben in der Fremde, in den USA, aufbauen. Wir erleben die Schulzeit der Kinder, ihre Jugend, mit all ihren Höhen und Tiefen. Allein diese lange Zeitspanne sorgt dafür, dass die Geschichte von einer gewissen Langatmigkeit geprägt ist. Dadurch kommen die gleichen Themen immer wieder auf, ständig steht der Konflikt zwischen Strenge und Liebe, zwischen Glaube und Freiheit im Mittelpunkt. Dadurch kann man als Leserin unglaublich tief in diese Welt eintauchen und erfährt viel über den Alltag der muslimischen Familie, der von Festlichkeiten und Besuchen in der Moschee geprägt wird. Man ist vollends umgeben von den Regeln und Bräuchen, die zentral sind für das Leben von Hadia, Huda und Amar. Dadurch entsteht allerdings auch eine gewisse Eintönigkeit, aus der weder die Protagonisten, noch die Geschichte selbst auszubrechen vermag.
Insgesamt hat mir der Roman eine sehr drückende Stimmung vermittelt, so ganz ist der Funke bei mir nicht übergesprungen. Trotzdem habe ich „Worauf wir hoffen“ gerne gelesen, da die Probleme und Herausforderungen, denen die Charaktere begegnen, einem die Augen öffnen für die eigenen Freiheiten, Privilegien und Möglichkeiten. Außerdem gelingt es der Autorin auf eine besondere Art und Weise, den Leser zu einem Teil der Familie werden zu lassen, der weiß was hinter verschlossenen Türen geschieht, der Geheimnisse, Wünsche und Ängste der einzelnen Familienmitglieder kennt. Dadurch entsteht teilweise das Bedürfnis, mit den einzelnen Personen in einen Dialog zu treten, um noch mehr über sie und ihre Beweggründe zu erfahren. Für mich ist dies ein Zeichen, dass es der Autorin gelungen ist, ein außergewöhnliches Buch zu schreiben – auch wenn es mich persönlich nicht auf die klassische Art und Weise gefesselt hat.
*Erschienen bei dtv Literatur*
Autorin / Autor: Lacrima - Stand: 2. Juli 2021