You'd be Home Now
Autorin: Kathleen Glasgow
ins Deutsche übersetzt von Maren Illinger
Emorys Leben ist an nur einem Abend in tausend Stücke zerbrochen: Sie war mit ihrem Bruder auf einer Party, irgendwann wollte sie heim. Ihrem Bruder ging es nicht gut, und außerdem war da ein Mädchen, das sich auf der Party unwohl fühlte und Emory gebeten hatte, sie sicher nach Hause zu bringen. Am Steuer saß schließlich ein Kumpel von ihrem Bruder, der die kleine Gruppe durch die Dunkelheit und den immer stärker werdenden Regen chauffierte. Doch irgendwann verlor er die Kontrolle über den Wagen und verursachte einen Unfall. Dieser Unfall kostet nicht nur das Mädchen auf der Rückbank ihr Leben, sondern löst noch eine ganze Reihe weiterer Konsequenzen aus. Emory wird am Knie verletzt und kann sich vielleicht nie wieder so bewegen wie vor dem Unfall. Ihren Platz im Tanzteam ist sie damit los. Bei ihrem Bruder wird im Krankenhaus eine Überdosis festgestellt – damit ist sein Drogenkonsum öffentlich, Emory kann ihn nicht länger vor ihren Eltern und der ganzen Welt verstecken. Ihre Eltern stecken Joey in eine Entzugsklinik, wo er lernen soll, ohne die Drogen zurecht zu kommen und sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Emory hat Zeit, körperlich zu genesen, doch auch die seelischen Folgen des Unfalls belasten sie. Das ändert sich auch nicht, als Joey endlich wieder nach Hause kommt und dort der größten Herausforderung bisher begegnet: Clean bleiben in seinem alten Leben, mit alten Freunden, Gewohnheiten und Problemen. Emory ist unglaublich froh, ihn wieder zu haben, und doch fällt es ihr unglaublich schwer zu sehen, wie sehr Joey zu kämpfen hat. Wird er es schaffen, seine Sucht in Schach zu halten?
Die Geschichte von Emory und Joey spielt sich in unzähligen Varianten und Variationen in vielen Familien in Deutschland, den USA und auf der ganzen Welt ab. Dabei geht es nicht nur um die Sucht und ihren Effekt auf den oder die Betroffene, sondern auch um deren Umfeld. Es geht dabei um Eltern und Kinder, Geschwister, Freunde und Arbeitskollegen, die mit einem Gefühl von Machtlosigkeit dabei zusehen müssen, wie jemand einer Substanz verfällt und ihr jegliche anderen Aspekte seines Lebens unterordnet. Doch eine Sucht ist eine psychische Erkrankung, vor der niemand vollständig sicher ist. Eine Sucht ist keine persönliche Verfehlung oder Schwäche, sondern eine Krankheit, die es zu behandeln und zu kurieren gilt. Dabei brauchen Betroffene Unterstützung und Halt, aber auch professionelle Hilfe. Dieser Weg fällt vielen nicht leicht und er verläuft auch selten so linear, wie es sich die meisten wünschen würden. Diese Erkenntnis bildet den Kern von Kathleen Glasgows Roman „You’d be home now“. Sie ist die Basis, auf der die Geschichte von Emory und Joey sich entwickeln kann. Emory war mir von Anfang an sehr sympathisch mit ihrer geschwisterlichen Liebe zu Joey, die teilweise auch ihr Urteilsvermögen trübt. Auch das schwierige Verhältnis zu ihren Eltern hat sie als Charakter nahbar und sympathisch gemacht. Insgesamt hat mir das High School-Setting gut gefallen, ohne dass es zu sehr im Vordergrund stand. Die Autorin erzählt mit einer angenehmen Spannung. Diese rührt allerdings nicht von einer sich rasant entwickelnden Handlung, sondern von einer tiefen emotionalen Verbundenheit mit den Charakteren und ihren Gefühlen. Man freut sich mit Emory, bangt und hofft mit ihr. Insgesamt ein sehr schöner Roman, den ich wirklich gerne gelesen habe und auch weiterempfehlen kann.
Erschienen bei Sauerländer
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 19. April 2024