Zurück auf Null
Die Frauenzeitschrift BRIGITTE verabschiedet sich von Pseudo-Natürlichkeit - und wird dadurch auch nicht besser
Sieh mal einer an. Die BRIGITTE. Was wurde nicht darüber geredet als die Frauenzeitschrift, mit der schon eure Omas groß geworden sind, medienwirksam beschlossen hat, auf professionelle Models zu verzichten und stattdessen echte, natürliche Frauen zu zeigen.
"Ohne Models" warb das Magazin damals und wollte eine sich verändernde Welt repräsentieren, in der Frauen sein wollen, wie sie sind: ganz normal. Vorgemacht hatte es die Dove-Kampagne, in deren Rahmen erstmals Frauen in Unterwäsche gezeigt wurden, die nicht den Laufstegmaßen entsprachen. Das kam gut an.
Darum sollten nun auch bei der brigitte die Hochglanzfrauen mit den wirklichkeitsfernen Mini-Maßen verbannt werden. Andreas Lebert, Chefredakteur BRIGITTE, erklärte seinerzeit: "Hinter dem Beruf des Models steckt die Idee, die Frauen nicht selbst zu zeigen, sondern einen Platzhalter - ein Modell gewissermaßen. Das empfinden viele Frauen inzwischen als überholt, zumal die Schönheitsideale, wie sie auch von der Modelbranche geprägt werden, stark umstritten sind. Einen Platzhalter brauchen Frauen nicht mehr. Sie wollen kein Rollenbild vorgesetzt bekommen, sondern selbst am Entwurf beteiligt sein."
Das klang schön und seriös und wurde darum - wie zuvor bei Dove - wohlwollend aufgenommen. Dann die Ernüchterung: die erste keine-Models-Ausgabe hat als Titel-Thema "Diät" und zeigt eine Frau, die aussieht wie ein Model, aber (noch) keins ist, wie wir aus dem Kleingedruckten erfahren. Eine Revolution, die keine war. Nur konsequent also, dass die BRIGITTE jetzt ganz zurückrudert. "Mehr Vielfalt" ist nun die Devise und die kann laut BRIGITTE am besten erreicht werden, wenn die normalen Frauen wieder hier und da von professionellen Models abgelöst werden.
Sollte uns das jetzt traurig stimmen? Auf keinen Fall! Eigentlich muss sogar gratuliert werden. Denn so edel den Schönheitsidealen auch der Kampf angesagt wurde, hat die BRIGITTE mit ihrer Ohne-Models-Kamapagne letzlich genau das Gegenteil bewirkt. Indem dort angeblich ganz normale Frauen präsentiert wurden, musste sich die arme Leserin erst recht gefragt haben, was mit ihr denn eigentlich nicht stimmt. Denn die nette Studentin von nebenan, die Polizistin, die Designerin, all die normalen Frauen, die sie dort bestaunen durfte, haben nicht nur durch die Bank weg tolle Berufe, sondern sie sind auch alle groß und rank und schlank und schön - und natürlich nur im Einzelfall älter als 40.
Die ganz normale BRIGITTE-Leserin muss erschüttert gewesen sein, dass die ganz normalen Frauen in Wirklichkeit auch so aussehen wie Models und nicht wie sie selbst - mit zu kurzen Beinen, zu rundem Bauch, zu breiten Hüften.
Bei BRIGITTE ist man sich noch nicht mal zu blöd, die Frustration der Leserinnen auch noch als Argument für die Wiedereinführung der Models anzuführen. So wird in der Pressemitteilung zur geplanten Änderung eine Leserin zitiert: "Ich fühle mich manchmal von der Mode abgelenkt, wenn eine ganz normale Frau gezeigt wird. Und, ja, auch unter Druck gesetzt: Wenn die Frau von der Straße auf den Fotos in BRIGITTE schon so schön aussieht, das macht einem ja Minderwertigkeitskomplexe…"
Für diese armen Wesen hat die BRIGITTE ja zum Glück die umfangreiche Rubrik "Figur", damit sich auch all die "unormalen" Frauen endlich auf das BRIGITTE-Maß runterdiäten können. Dann dürfen sie sich auch weiterhin gerne bewerben, eine der "wunderbaren Frauen" zu sein, die künftig - zwischen Diätrezepten, Beauty- und Selbsterfüllungstipps - Seite an Seite mit professionellen Models gezeigt werden. Zum Gähnen!
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 12. September 2012