Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Es war eine regnerische Nacht. Immer wieder ergossen sich kurze Schauer über dem kleinen Städtchen. Es war stockdunkel und keine Menschenseele zu sehen. Die engen Gassen waren nass; Eine schleierhafte Wolke schob sich soeben vor den Mond, welcher sowieso nicht hell schien, als eine geduckte Gestalt leise auf dem gepflasterten Weg schlich. Eine schwarze Katze, aufgeschreckt durch die schnellen Schritte, machte einen Buckel und fauchte. Der vermummte Mensch, dem wohl sehr viel daran lag, nicht gesehen zu werden, blieb stehen und starrte auf die Katze. Er hoffte wohl, dass sie wieder ruhig auf der Blechtonne sitzen blieb- doch im Gegenteil- sie fauchte noch einmal und sprang dann von der Tonne, welche scheppernd zu Boden fiel. Dann war wieder alles Still. Erleichtert ging die Gestalt am Rande der Gasse weiter, bis sie vor einem Eisentor stehen blieb. Der Mensch stieß sie mit dem Fuß sachte an und das Tor ging quietschend auf. Dann eilte er, immer noch geduckt, durch den Hof, bis er an einer kleinen Treppe ankam. Er eilte die wenigen, Stufen hoch, wobei die Steine unter seinen Füßen knirschten. Oben angekommen, klopfte er drei -mal mit dem schweren Riegel an die Tür.
„Wer ist da?“ kam eine heisere Stimme von innen.
„Ich. Wer denn sonst?“, antwortete die Gestalt.
„Wen hast´n du erwartet?“ Man konnte hören, wie von innen ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Ein scharrendes Geräusch war vernehmbar- dann wurde die Tür geöffnet. Die vermummte Gestalt trat hastig ein und legte seinen Mantel ab. Ein Gesicht mit groben Bartstoppeln, braunen Augen, einem kräftigen Kinn und schwarzen, verstrubbelten Haaren kam zum Vorschein. Der Mann war groß und trug unter seinem Mantel, der nun auf dem Boden lag, abgetragene, zum Teil zerrissene Kleidung.
„Na ja, kann man ja nie wissen, wer vor der Tür steht...“ sagte die Frau, die die Tür geöffnet hatte. Sie war eher klein, hatte braune, glatte Haare und eine schlanke Figur, welche in einen Morgenmantel gehüllt war. Sie schaute unruhig nach draußen, schloss wieder die Tür und blickte den Mann streng an:
„Wo warst`n du?“ Man merkte, dass die Frau die Antwort bereits kannte.
„Ich...ich war in der Stadt...ehrlich...und...Schau mich nicht so giftig an.“
„Du weißt doch genauso gut wie ich, dass du mit deinen blöden Freunden in der Kneipe warst und mal wieder gesoffen hast.“, sie starrte ihn böse an. Der Mann war offensichtlich erleichtert, dass nichts schlimmeres mehr passiert war. „Seltsam, dass du nicht wieder so betrunken angetorkelt kamst wie gestern. “, fuhr sie nun doch schnippisch fort, „Du weißt doch, was für Leute sich um diese Uhrzeit draußen rumzutreiben...“ Die Frau bestrafte ihn noch mal mit einem bösen Blick und ging dann durch den Flur ins Wohnzimmer. Alte Sessel standen im Kreis um ein Holztischchen herum. Eine armselige Kerze stand auf einer der vielen Kommoden und warf einen unheimlichen Schein in den Raum. Es war sehr düster, da kein Licht durch die Fensterscheiben drang.
„Es is´ schon drei.“, murmelte die Frau, nachdem sie einen kurzen Blick auf eine nahezu antike Standuhr geworfen hatte. „Ich leg mich noch mal aufs Ohr. Sin´ ja eh nur noch´n paar Stunden bis Morgen. Wegen dir, Hans, hab ich kein Auge zugetan.“ Sie machte die Tür zum Nebenzimmer auf und huschte in den dunklen Raum; Die Tür ließ sie offen. Hans stand ließ sich dann nach einer Weile in einen der Sessel fallen und schloss die Augen. Aber nur für kurze Zeit. Denn plötzlich hörte einen gellenden Schrei aus dem Zimmer, in das die Frau vor wenigen Minuten verschwunden war. Hans sprang so heftig auf, dass er vornüber auf den Tisch krachte und sich an der Stirn verletzte. Seine Gedanken spielten verrückt. Was war los? Ein Wimmern drang ungebeten in sein Ohr. Dann war alles wieder still. Er hasste diese drückende, sich aufblähende Stille. Nachdem er sich mühsam wieder aufgerappelt hatte, blickte er erschrocken in Richtung Tür.
Er machte ein paar Schritte darauf zu, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Die Tür war nur angelehnt und warf einen matten Schatten ins Zimmer. Es lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ihm ein kühler Windhauch ins Gesicht blies. Er schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und riss dann die angelehnte Tür auf. Dann wurde er totenbleich im Gesicht: Seine Frau stand ein bis zwei Meter vor ihm, kerzengerade und wie zur Salzsäule erstarrt. Hinter ihr ragte ein in schwarz gekleideter Mann empor; Er hielt ihr ein Messer an ihre Kehle: „Her mit euren paar Geldscheinen. Und zwar ein bisschen plötzlich!“ Hans stand immer noch wie erstarrt da und versuchte die ganze Szene zu überblicken: Da war seine Frau Maria, die die Augen weit aufgerissen hatte und so wie ein zu groß geratener Hamster aussah. Der Mann, der es etwa ernst meinte- jederzeit bereit, Maria zu töten. Er, der beide ansah, als hätte er noch nie einen Menschen gesehen und wohl von Sekunde zu Sekunde ungläubiger drein starrte. Die groben Worte des Diebes brauchten eine ganze Weile, um bei Hans anzukommen. „Na, wird’s mal langsam was? Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit. Ich warte hier schon seit ´nen paar Stunden!“ Auch dies dauerte kurze Zeit, bis Hans die Worte verarbeitet hatte. Panisch rannte er durch das Wohnzimmer, stieß diverse Möbel um und riss die Schublade einer Kommode auf. Hektisch durchwühlte er Blätter und warf einige seltsam aussehende Gegenstände auf den Teppich. Dann fand er die Geldbörse, nahm sie und knallte die Schublade wieder zu. Der Dieb hatte die ganze Action mit einem spöttischen Grinsen beobachtet. Hans rannte quer durchs Zimmer zurück in Richtung Maria und Dieb. Doch kurz bevor er die beiden erreichte stolperte er, fiel- direkt auf den Dieb, und begrub ihn unter sich. Das Messer lag nur wenige Zentimeter von ihnen entfernt- es wurde dem Mann aus der Hand geschleudert. Ein plüschiger Damenpantoffel trat drauf. „Das war ja mal was...! Ich ruf die Polizei.“ Erleichtert stand Hans auf, ging zu seiner Frau und umarmte sie. Der Dieb war bewusstlos.
Autorin / Autor: Wiebke, 12 Jahre alt - Stand: 7. Juni 2010