Ganz schön trendy - Teil 2

Wie geht es weiter?

Nachdem die ersten Versuche mit dem gerade erfundenen Gerät stattgefunden haben, wird es dann mit Geduld und Risikofreude weiterentwickelt. Voller Enthusiasmus wird neues Material getestet, werden neue Techniken untersucht. Wenn es eine Sportart ist, die im öffentlichen Raum Platz findet, wie auf der Piste oder auf der Straße, werden immer mehr Leute aufmerksam und probieren es auch aus, was dann zur ersten Produktion in Serie führt. Die ist natürlich noch voller technischer Mängel und wird nur von wenigen gekauft. Wenn allerdings die Werbekampagne nicht nur das Sportgerät, sondern auch das dazugehörige Lebensgefühl der ErfinderInnen mitvermarktet, dann ist der Weg Richtung Trend schon geebnet, und die JournalistInnen der Massenmedien stehen Schlange.

Krach vorprogrammiert

Ihr müsst nicht denken, dass sich der etablierte Sport über die Geburt der kleinen Schwester "Trendy" freut. Es gibt Boykottversuche, Anfeindungen und Spott von Seiten der Alteingesessenen: Wanderer streuen Nägel auf die Waldwege, um die Biker zu stoppen, die SnowboarderInnen sehen sich nur noch von Verbotsschildern umzingelt, die SurferInnen kämpfen mit wütend ausgeworfenen Angelhaken und um sich schlagenden Ruderern, und auf den Gehwegen kommt es fast zum Bürgerkrieg zwischen FußgängerInnen und Skatern. Nicht selten ist da ja auch ein Generationskonflikt, der sich auf der Straße abspielt und irgendwie passt das ja auch zu dem Rebellenimage der neuen Sportarten.

Ab in die Normalität

Aber genau dieses Image führt auch dazu, dass die neue Bewegungskultur sich schneller etabliert, als ihren ErfinderInnen lieb ist. Die intensive Berichterstattung in den Medien trägt schnell dazu bei, dass die ursprüngliche Individualisten-Idee verwässert wird und zur Massenmode verkommt. Die Vermarktung läuft auf Hochtouren: auch "sportfremde" Industriezweige wittern jetzt ihre Chance, neuartige Accessoires oder bereits bestehende Produkte mit dem Image von "neu" und "jugendlich" zu vermarkten. Außerdem wird jetzt nach einer besseren Organisation und einer verbindlichen Lösung für die anfänglichen Konflikte gesucht. Einer Handvoll Snowboardern oder Bikerinnen konnte man noch leicht Verbote aussprechen, doch als größer werdende KonsumentInnen-Gruppe werden sie für die Ferienorte, die Politik und die Industrie zu einer wichtigen Zielgruppe. Erste formelle Organisationen wie Clubs und Verbände entstehen, und schon gibt es AnsprechpartnerInnen für Politik und Wirtschaft, Verhaltensrichtlinien werden erlassen und Wettkampfregelwerke ausgearbeitet.

Und wer entscheidet darüber, was zum Trend wird und was nicht?

Seltsamerweise ist es tatsächlich so, dass eine Sportart diese Entwicklungsphasen alle durchlaufen muss. Wenn man eine Phase überspringt, wie es manche tun, die das große Geld wittern, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Viele Marktstrategen versuchen in immer kürzeren Abständen Trendsportarten zu erfinden und mittels groß angelegter Werbekampagnen direkt den Massenmarkt anzupeilen. Diesen Trends aus der "Retorte" fehlt aber das Kultelement, mit seinen abenteuerlichen Geschichten und Mythen über den Pioniergeist der GründerInnen. Sie haben keine Identität, kein Gesicht, weil das dazugehörige Lebensgefühl fehlt. Fazit: Der Erfolg einer Trendsportart entsteht nicht am Reißbrett. Am Anfang steht eine gute Idee - die Kombination neuer Bewegungsformen mit neuartigen Geräten -, die dann über Jahre hinweg reift und sich weiterentwickelt. Die relativ lange Zeitspanne, die zwischen Erfindung und Durchbruch liegt, ist DAS ausschlaggebende Element, dass dem Massenpublikum nicht nur eine ausgereifte Sportart, sondern auch den dazugehörigen authentischen Lebensstil liefert.

Autorin / Autor: ~rosi~ - Stand: 11. Oktober 2002