Ich bin meine eigene Band
Die Kölner Singer/Songwriterin Julia Kotowski - Entertainment for the Braindead im Interview mit LizzyNet
Hinter dem Namen Entertainment for the Braindead (EFTB) versteckt sich die Kölner Singer/Songwriterin Julia Kotowski. Nach dem Motto: „Ich bin meine eigene Band“ macht sie alles selbst. Sie studiert in Köln an der KHM audiovisuelle Medien und ist eine absolute Allrounderin. Sie macht und gestaltet alles selbst: die Cover ihrer CDs, ihre Homepage und die Musik natürlich. Ihre Musik stellt EFTB unter einer Creative Commons Lizenz frei zur Verfügung. Seit ihrem zweiten Album veröffentlicht Entertainment for the Braindead bei dem Netlabel aaahh records.
LizzyNet traf Julia beim MB21 Festival in Dresden, wo sie ein exklusives Konzert für die PreisträgerInnen des MB21-Wettbewerbs gab. Das war einfach genial und damit auch alle die nicht da waren, etwas davon haben, hier das Interview und ein paar Links zum Hören und Schauen. Weitersagen!
Wie bist du zur Musik gekommen? Hast du Unterricht gehabt? Da du auf der Bühne so viele Instrumente benutzt? Was ist dein Lieblingsinstrument?
Das ist immer schwer zu sagen... bis wohin datiert man das zurück? War es prägender, dass ich mit 14 einen Walkman bekam und von da an etliche fantastische, inspirierende Bands entdeckte, oder dass meine Mutter mit mir als Kleinkind viele Kinderlieder gesungen hat? Ich weiß es nicht. Als Kind hatte ich Blockflötenunterricht und habe viele Jahre im Chor gesungen... Beides würde ich nicht unbedingt als fundierte musikalische Ausbildung bezeichnen, aber zumindest hat es sicherlich erste Grundlagen und Berührungspunkte geschaffen, auf denen aufbauend ich dann später weitergemacht habe. Im Großen und Ganzen würde ich mich jedoch als Autodidaktin bezeichnen.
Was Lieblingsinstrumente angeht... das variiert eigentlich, mal ist es dieses, mal jenes. Ich bin definitiv eine große Ukulelenenthusiastin, wenngleich keine Virtuosin, wenns um Saiteninstrumente geht. Derzeit begeistert mich jedoch ein ganz anderes Instrument am meisten, das ich erst kürzlich für mich entdeckt habe und noch nicht wirklich spielen kann: Die Klarinette!
Schreibst du deine Songs (Musik und Texte) alle selbst? Wie kommst du auf die Ideen? Wie entsteht ein Song oder Album?
Ja, es ist alles selber geschrieben, alle Instrumente selbst eingespielt und alles selbst aufgenommen. Mir liegt da der DIY-Geist (DIY=Do it yourself) sehr am Herzen. Lediglich bei Auftritten schlüpft auch schon einmal ein Coversong dazwischen. Meistens entstehen die Lieder relativ spontan, aus einer unvorhergesehenen Eingebung heraus, und drängen danach, sofort umgesetzt zu werden. Darum versuche ich den ganzen Workflow so unkompliziert und unmittelbar wie möglich zu halten - und bin dementsprechend ein großer Freund des Homerecordings.
Hast du Vorbilder für deine Musik? Welche Musik hörst du selbst gerne?
Unmittelbare Vorbilder habe ich keine. Es gibt aber durchaus viel Musik, die mich inspiriert, oft ganz genreunabhängig... das kann kanadischer Post-Rock sein, britischer Triphop oder uralter Freejazz, ich kann mir auch stundenlang Fieldrecordings anhören und dabei tolle Ideen haben.... sicher hört man nicht alles raus, auch weil viele eigene Experimente nie an die Öffentlichkeit dringen, aber meine Inspirationsquellen sind sehr weit gestreut. Was Solo-Künstlerinnen angeht, die ich sehr bewundere, stehen da sicherlich diese drei mit ganz oben: Juana Molina, die mich zur Looptechnik gebracht hat, für ihren manchmal etwas verschroben-eigensinnigen Sound und ihre autarke Arbeitsweise, Lou Rhodes wegen ihres Sinns für Einfachheit, PJ Harvey für ihre Wandlungsfähigkeit und den Mut zur Rauheit. Generell hab ich selber früher viel mit 'Post' in der Genrebezeichnung gehört, Post-Rock, Post-Hardcore... derzeit bin ich allerdings wieder auf Ruhigeres umgeschwenkt und höre viel Singer-/Songwriterkram oder leicht elektronisch angehauchte Sachen. Generell: Hauptsache eigentlich, es hat einen Funken Originalität!
Dein Künstlername ist ja ein wenig ungewöhnlich? Was meinst du damit?
Eigentlich war das mehr ein nie abgelegter Arbeitstitel. Als ich die ersten Aufnahmen machte, fiel mir schlicht nichts Besseres ein und die Domain hatte ich ohnehin - warum auch immer. Außerdem, dachte ich mir, kann man zumindest keine zu großen Erwartungen damit wecken. Später habe ich ihn beibehalten, nach wie vor in Ermangelung besserer Alternativen und auch ein wenig aus Freude an der Irreführung.
Machst du alles alleine? Hattest du nie vor, eine Band zu gründen?
Als ich etwa 17 war und sehr auf härtere Gitarrenmusik stand, hab ich insgeheim immer davon geträumt, in einer Band zu spielen. Singen wollte ich nie so wirklich, aber Gitarre spielen oder etwas in der Richtung. In die Quere kamen mir jedoch ein Mangel sowohl an Talent als Gitarristin, als auch an Sozialkompetenz. Von daher: Alleine im stillen Kämmerlein zu spielen und alles selber zu machen, erwies sich also letztendlich schlicht als einfacher und sicherer... und aus der Not wurde dann rasch eine Tugend. Man hat alle Freiheit und Unbefangenheit die man braucht, und später stellte ich dann ohnehin fest, dass ich nicht der Typ für feste Bandkonstellationen bin. Inzwischen macht es mir zwar auch großen Spaß, die ein oder andere Kollaboration mit anderen anzugehen, aber dann mehr projektorientiert und mehr mit dem Material anderer als mit eigenem. Entertainment for the braindead wird wohl immer ein reines Soloprojekt bleiben.
Du musst ja bei deinen Konzerten sehr konzentriert sein, damit alle Instrumente, Loops und deine Stimme passen…. Ist so ein Auftritt nicht wahnsinnig anstrengend? Oder geht dies wie im Schlaf ;-)
Konzentration braucht man ja letztlich immer für ein Konzert, ob als Soloinstrumentalist, ob nur mit Gitarre und Stimme, oder mit ein bisschen mehr Technik, Loopsampler und Kram... ich denke, das nimmt sich nicht allzu viel, für mich ist es sogar eine Erleichterung - letztendlich bin ich auch deshalb auf das Arbeiten mit Loops ausgewichen, weil ich gleichzeitiges Singen und Gitarrespielen weniger gut koordiniert bekomme. Ich muss zwar auf der Bühne immer den Überblick behalten, aber immer nur eine Sache auf einmal tun. Anstrengend ist es, wenn die Technik streikt, wenn man sich nicht gut hören kann, gegen Rückkopplungen ankämpfen muss, notdürftig improvisieren muss, weil etwas nicht funktioniert, wie es soll... aber solange alles läuft, wie geplant, bin ich normalerweise sehr entspannt auf der Bühne..
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Fotografin: Julia Kotowski
www.entertainmentforthebraindead.com
Deine Songs strahlen so eine Melancholie aus. Bist du ein durch und durch melancholischer Mensch?
Einen Hang zur Melancholie habe ich sicherlich, aber wer ist schon irgendetwas "durch und durch".. nein, natürlich habe ich auch andere, lebhafte, alberne, leichtere und rauere Seiten, aber ich denke die melancholische ist bloß die, die am ehesten musikalisch nach außen drängt und sich verhältnismäßig leicht künstlerisch umsetzen lässt. Wenn ich überschäumend glücklich bin, bin ich mit anderen Dingen beschäftigt, als darüber Lieder zu schreiben, wenn ich aufgebracht bin, bin ich zu unruhig, als dass ich mich hinsetzen und Musik daraus machen könnte.. Aber ein gewisses Maß an Schwermut schafft eine angenehme Stimmung zum Liederschreiben.
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Autorin / Autor: Ulrike Schmidt/ Julia Kotowski - Stand: 25. November 2010