Bretter, die die Welt bedeuten
Wer träumt nicht davon, einmal als Star auf der Bühne zu stehen?! Mira hat das Casting für das Theaterstück "Tintenherz" beobachtet.
Aufgeregte Kinder, stolze Eltern, und mitten drin der Regisseur und der Intendant des "Jungen Theaters Bonn". Dies ist das Bild, das sich vergangene Woche im Theatersaal des zweitbestbesuchten Kinder- und Jugendtheaters Deutschlands bot. Das Theater plant dieses Jahr die Inszenierung des Romans "Tintenherz". Nach dem großen Bühnenerfolg von "Drachenreiter" und "Herr der Diebe" soll nun das dritte Stück der Erfolgsautorin Cornelia Funke als Musical produziert werden. Der Regisseur und der Intendant des Theaters suchen dafür derzeit händeringend zwei Mädchen, die für die Rolle der "Meggie" in Frage kommen und luden begeisterte Nachwuchsschauspielerinnen zu einem Casting ein. Im Internet und in der Lokalpresse riefen sie interessierte Mädchen dazu auf, sich an einem Vorsprechen für diese Rolle zu beteiligen. Mitmachen konnte jede, auf die die Beschreibung "Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren, maximal 155 cm groß, schlank mit klarer fehlerfreier Aussprache und akzentfreiem Hochdeutsch" zutraf. Sechzig Theaterliebhaberinnen nutzten sogleich diese Chance, ihrem Traum, einmal auf der Bühne zu stehen, näher zu kommen. Erste Hürde war der Fragebogen, der von jeder Teilnehmerin vorab ausgefüllt werden musste, hier wurde nicht nur nach Name, Alter und Adresse gefragt, sondern besonders die schulischen Leistungen und schauspielerischen Erfahrungen interessierten die Jury.
Meggie muss hart an sich arbeiten
Während der Intendant auf der Bühne einige einleitende Worte über den Ablauf des Castings und Informationen zur Proben- und Spielzeit des Stückes verlor, schlichen sich immer mehr Töchter mit ihren Müttern oder Vätern in den Saal. "Meggie muss hart an sich arbeiten", der Regisseur des Stückes machte darauf aufmerksam, dass auf die Schauspielerin absolut Verlass sein müsse, und dass während der Hauptprobenzeit harte Arbeit auf sie warte. Bis zu acht Wochen lang wird täglich drei Stunden geprobt, außerdem muss, da es sich um eine Musicalproduktion handelt, Gesangs- und Tanzunterricht genommen werden. Wird es dann ernst, finden bis zu hundert Vorstellungen statt, die für Schulklassen auch schon mal vormittags aufgeführt werden. Die Ansprüche sind recht hoch und alleine von einer Person gar nicht zu erfüllen, daher wird die Rolle der "Meggie" auch doppelt besetzt. Das heißt also: wenig Freizeit und "neben der Schule muss das Theater absolute Priorität sein." Die harten Worte des Regisseurs konnten die tapferen, spielwütigen Mädchen aber nicht davon abbringen, sich auf der Bühne behaupten zu wollen, zumindest verließ keine fluchtartig den Raum. Anscheinend behielt der Regisseur recht, als er meinte, Theater spielen "gibt Energie und ist eine tolle Erfahrung". Geld kann es zumindestens nicht sein, das die Mädchen auf die Bühne lockt, denn außer einer kleinen Aufwandsentschädigung bekommen die Nachwuchsschauspielerinnen keine Gage.
Jetzt wird´s ernst!
Unruhig rutschten die meisten Mädchen auf ihren Sitzplätzen hin und her und konnten den Beginn des Vorsprechens kaum erwarten. Der (Sitz)reihe nach sollten jeweils zwei Mädchen ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. Bevor sie jedoch loslegen durften, musste noch ein Foto zur späteren Identifikation geschossen werden. Die Bühne wirkte kahl und trist, nur zwei Stühle und herabtaumelnde Seile schmückten das Bühnenbild. Aufgabe war es, eine Textpassage aus "Herr der Diebe" vorzulesen. Beim Vorsprechen sollte zur Enttäuschung einiger Mädchen "kein Theater gespielt" werden, in erster Linie ging es um die Bühnenpräsenz, die man laut Regisseur "nicht lernen kann". Bei so vielen Bewerberinnen ist es nicht möglich, lange Szenen vorzubereiten und oftmals gar nicht erforderlich, denn es ist meist auch eine Typfrage, wer für die gesuchte Rolle in Frage kommt. Regisseur und Intendant besitzen bestimmte Vorstellungen und es muss gar nicht an den schauspielerischen Fähigkeiten eines Mädchen liegen, warum es nicht genommen wird. Der Regisseur wies tröstend darauf hin: "Es richtet sich nicht gegen euch als Person!".
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Autorin / Autor: Mira Mosch - Stand: 24. Februar 2006